Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, rügt Vergleiche aus der »Querdenken«-Bewegung von Corona-Beschränkungen mit der Judenverfolgung in der Nazi-Zeit. Dies verhöhne die tatsächlichen Opfer und relativiere die Schoa, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag).
WERTESYSTEM »Der Holocaust ist kein Abziehbild für jedwede Opfergefühle.« Wer über Anne Frank und Sophie Scholl gut Bescheid wisse, werde kaum solch kruden Verharmlosungen äußern. »Dass die Kritik an solchen Vergleichen nun hohe Wellen schlägt, begrüße ich sehr. Es zeugt von einem funktionierenden Wertesystem der demokratischen Mehrheit.«
Am Samstag hatte eine junge Frau, die sich als »Jana aus Kassel« vorstellte, auf einer »Querdenken«-Bühne in Hannover gesagt: »Ich fühle mich wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten aktiv im Widerstand bin, Reden halte, auf Demos gehe, Flyer verteile und auch seit gestern Versammlungen anmelde.« Sophie Scholl wurde wegen ihres Widerstandes gegen den Nationalsozialismus hingerichtet.
ANNE FRANK Eine Woche zuvor hatte eine Elfjährige auf einer »Querdenken«-Bühne in Karlsruhe die Tatsache, dass sie ihren Geburtstag nicht wie gewohnt feiern konnte, in Beziehung gesetzt zum Schicksal von Anne Frank, die sich in einem Hinterhaus vor den Nazis versteckte und später im Konzentrationslager Bergen-Belsen umkam.
Der Präsident des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, sagte dem RND: »Das ist kein Zufall, sondern das perfide Ergebnis einer langen Kette von Diskursverschiebungen und gezieltem Geschichtsrevisionismus, basierend auf Schulungen der Neuen Rechten.« Jüngere Menschen seien dafür besonders empfänglich.
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) schloss sich der Kritik an und sagte der Düsseldorfer »Rheinischen Post« (Dienstag): »Wenn jemand öffentlich das eigene Handeln als Demo-Anmelderin und vermeintliche Widerständlerin mit dem mutigen Handeln von Sophie Scholl vergleicht, dreht sich mir der Magen um.« dpa/epd