Halle-Prozess

Erschreckendes Unwissen

Die Verhandlung wird aus Sicherheits- und Platzgründen in Räumlichkeiten des Magdeburger Landgerichts geführt. Foto: dpa

Halle-Prozess

Erschreckendes Unwissen

In ihren Schlussplädoyers fordern die Nebenkläger, Antisemitismus entschieden zu bekämpfen

von Thyra Veyder-Malberg  09.12.2020 08:01 Uhr

Im Prozess gegen den Attentäter von Halle sind am Dienstag die Plädoyers der Nebenkläger beendet worden. Einige der Opfer des Anschlages ergriffen selbst das Wort, andere ließen sich durch ihre Anwälte vertreten. Die Vertreter der Nebenklage betonten die gesellschaftliche Dimension der Tat und warnten davor, den Angeklagten als Einzeltäter zu begreifen.

Rechtsanwalt Alexander Hoffmann sagte, es sei verführerisch, die Tat als Wahnsinnstat eines Dorfdeppen und Verlierers zu begreifen, denn so könne man weitermachen wie bisher. Stattdessen sei zu fragen, inwieweit der Angeklagte seine Ideen aus der Mitte der Gesellschaft beziehe. Hoffmann und viele andere zogen eine Verbindung von der Tat zur rechtsextremen Hetze von AfD, Reichsbürgern und anderen Demokratie- und menschenfeindlichen Gruppierungen und verwiesen auf die Kontinuität rassistischer, antisemitischer, islam- und frauenfeindlicher Gewalt in Deutschland.

SCHUTZ Immer wieder wurde in den Plädoyers die unzureichende Polizeiarbeit angesprochen. Talya Feldman, eine Überlebende des Anschlages, nannte es beängstigend und frustrierend, dass sich die Ermittlungsbehörden, allen voran das Bundeskriminalamt, schlicht nicht zuständig fühlten, den Kontext zu ermitteln, in dem diese Tat stattgefunden habe. So sei es nicht möglich, zukünftige Anschläge zu verhindern und die Opfer zu schützen.

Immer wieder wurde in den Plädoyers die unzureichende Polizeiarbeit angesprochen.

Auch Christina Feist, die den Anschlag wie Feldman in der Synagoge erlebte, attestierte den Behörden ein »erschreckenden Unwissen«, was jüdisches Leben betreffe. Die Anwälte der geschädigten Polizeibeamten, die ebenfalls als Nebenkläger auftraten, warnten indes vor Pauschalurteilen gegen die Polizei; Rechtsanwalt Siebenhühner rechtfertigte die Unwissenheit der Behörden gar mit dem »Neutralitätsgebot« – allerdings ohne schlüssig zu erklären, inwiefern Neutralität Ignoranz gebietet.

UMBEWERTUNG Weiter wurde auch heute aus den Reihen der Nebenkläger immer wieder gefordert, juristisch anzuerkennen, dass auch Ismet Tekin und Aftax Ibrahim Opfer eines Mordversuchs wurden. Bislang geht die Staatsanwaltschaft nicht davon aus, das es in diesen Fällen eine gezielte Tötungsabsicht seitens des Angeklagten gegeben hätte. Die geforderte Umbewertung würde wohl nichts am Strafmaß für den Angeklagten, ändern, würde aber eine Anerkennung des erlitten Leides darstellen.

Nahezu alle Plädoyers schlossen mit der Forderung, Antisemitismus, Rassismus und anderen menschenfeindlichen Einstellungen laut, entschieden und solidarisch entgegenzutreten: »Schweigen ist keine Option«, so Christina Feist. Am heutigen Mittwoch haben die Verteidigung und der Angeklagte selbst das Wort; das Urteil wird am 21. Dezember erwartet.

Potsdam

Brandenburg: Ja zum Existenzrecht Israels künftig Bedingung zur Einbürgerung

Die Entscheidung der Landesregierung gilt seit Juni dieses Jahres

 18.07.2025

Berlin

Wo die Intifada globalisiert und gegen Zionisten gehetzt wird

Ein Augenzeugenbericht über einen merkwürdigen Abend an der Freien Universität, der mit einem Hausverbot endete

von Alon David  18.07.2025

Meinung

Kein Mensch interessiert sich für den AStA, aber vielleicht sollte man es

An der FU Berlin berieten Studenten darüber, wie man die Intifada globalisieren könnte. Darüber kann man lachen, doch den radikalen Israelfeinden steht der Marsch durch die Institutionen noch bevor

von Noam Petri  18.07.2025

Medien

»Besonders perfide«

Israels Botschafter wirft ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann Aktivismus vor. Die Hintergründe

 18.07.2025

Analyse

Inszenierung des angeblich Unpolitischen

Im Prozess von Lahav Shapira gegen Burak Y. versuchte die Verteidigung, so zu tun, als hätte die Nötigung des jüdischen Studenten nichts mit dem Nahost-Konflikt zu tun. Doch Burak Y. selbst unterlief diese Strategie

von Ruben Gerczikow  18.07.2025

Berlin

Israelisches Restaurant verschiebt wegen israelfeindlicher Proteste Eröffnung

»Ein Restaurant zu eröffnen, sollte eine fröhliche Feier sein«, so die Betreiber. Unter den aktuellen Umständen sei es »kaum möglich, diese Freude zu spüren«

 18.07.2025

Washington D.C.

Trump will Veröffentlichung einiger Epstein-Unterlagen

Der amerikanische Präsident lässt sich selten unter Druck setzen. Doch im Fall Epstein reagiert er nun. Ob das seinen Anhängern reicht?

 18.07.2025

Flandern

Gericht verbietet Transit von Militärgut für Israel

Der Hafen in Antwerpen ist einer der größten Europas. Einer Gerichtsentscheidung zufolge dürfen Schiffe, die von dort aus in den einzigen jüdischen Staat fahren, kein Militärgut mehr mitnehmen

 18.07.2025

Regierung

Warum Friedrich Merz Angela Merkel erst zum 100. Geburtstag öffentlich gratulieren will

Alte Rivalität rostet nicht? Als der Bundeskanzler in Großbritannien auf das Verhältnis zu seiner Vorvorgängerin angesprochen wird, reagiert er schlagfertig

 17.07.2025