Justiz

»Erdrückende Belastung« – neue Studie zum NS-Erbe der Bundesanwaltschaft

Eingangsschild des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof Karlsruhe Foto: dpa

Die Bundesanwaltschaft war bis in die 1970er-Jahre hinein personell von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern und Juristen aus dem NS-Justizapparat geprägt. Die formale Belastung sei »erdrückend« gewesen, schreiben die Autoren einer neuen großen Aufarbeitungsstudie im Auftrag des Generalbundesanwalts, die am Mittwoch als Sachbuch erscheint. Sie seien in den Gründungsjahren der Karlsruher Behörde aber auch auf sehr unterschiedliche Einzelschicksale gestoßen.

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Für die Untersuchung, die die Jahre 1950 bis 1974 beleuchtet, hat die Bundesanwaltschaft erstmals Einsicht in teils als vertraulich oder geheim eingestufte Personal-, General- und Verfahrensakten gewährt. Generalbundesanwalt Peter Frank will den Abschlussbericht am Donnerstag gemeinsam mit der geschäftsführenden Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) der Öffentlichkeit präsentieren.

In den vergangenen Jahren hatten auch schon andere Sicherheitsbehörden und Ministerien ihr NS-Erbe in der Nachkriegszeit wissenschaftlich aufarbeiten lassen. Die Bundesanwaltschaft sei eine »besondere Herausforderung« gewesen, schreiben die beiden Autoren, der Historiker Friedrich Kießling und der Strafrechtler Christoph Safferling. In der eher kleinen Behörde hätten einzelne Personen einen viel stärkeren Einfluss auf die Institution gehabt.

1951 hatten für den Behördenchef, der bis 1957 Oberbundesanwalt hieß, nur drei Bundesanwälte, vier Oberstaatsanwälte und drei Hilfskräfte gearbeitet. 1974 gab es 51 Juristinnen und Juristen im höheren Dienst. 16 von ihnen waren Bundesanwälte, darunter die erste Frau.

Im höheren Dienst war die NS-Belastung zwischen 1953 und 1959 prozentual am höchsten, als um die 75 Prozent der Mitarbeiter ehemalige NSDAP-Mitglieder waren. Bei den Bundesanwälten waren 1966 zehn von elf früher in der Partei gewesen, 1974 waren es noch 6 von 15. Die Oberstaatsanwälte waren zeitweise - 1952 und 1953 - sogar durchgängig betroffen. Der letzte durch eine NSDAP-Mitgliedschaft belastete Bundesanwalt schied laut Studie 1992 aus dem Dienst aus.

In Karlsruhe arbeiteten in den Nachkriegsjahren vor allem frühere NSDAP-Mitglieder und NS-Juristen.

In der SA waren insgesamt 23 Beamte gewesen. Auf ehemalige SS-Angehörige stießen die Autoren nicht, auch nicht auf NSDAP-Mitglieder, die der Partei schon vor 1933 beigetreten waren.

Gleichzeitig hatten sehr viele Beamte im höheren Dienst auch im Nationalsozialismus im Justizdienst gestanden. 1953 lag die Quote bei knapp 83 Prozent. Zehn Jahre später hatten noch 74 Prozent der Bundes- und Oberstaatsanwälte Amtserfahrung aus der Zeit vor 1945. Erst von 1972 an waren frühere NS-Juristen klar in der Minderheit.

Diese Zahlen sagten zwar nichts über das tatsächliche Verhalten einzelner Personen und deren individuelle Schuld aus, schreiben Kießling und Safferling. »Die große und lange Amtskontinuität wie die hohe Zahl an formal belasteten Beamten zeigen aber sicher eines: Einen Bruch, gar einen bewussten Bruch mit der NS-Vergangenheit hat es auch im Fall der Bundesanwaltschaft nicht gegeben.«

Eine gezielte Suche nach unbelasteten Kandidaten oder gar emigrierten Kollegen habe sich nicht feststellen lassen. Wie bei anderen Bundes- und Sicherheitsbehörden habe bei der Personalauswahl die fachliche Eignung im Zentrum gestanden, Fragen der politischen Haltung seien zweitrangig gewesen. Die Autoren weisen darauf hin, dass insbesondere die Bundesanwaltschaft auf Mitarbeiter mit erheblicher Berufserfahrung angewiesen war. »Die Chance, dass hierunter auch belastete Beamte sein würden, war entsprechend hoch.«

Einen bewussten Bruch mit der Nazi-Vergangenheit vermissen die Autoren des Aufarbeitungsprojekts.

Dabei seien juristische Vorerfahrungen aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 so normal behandelt worden, als seien sie in der Weimarer Republik oder im Kaiserreich gemacht worden. »Die Verflechtung des allgemeinen Justizwesens mit NS-Recht im »Dritten Reich« wollten viele vor wie nach 1945 nicht wahrhaben.«

Eine Person, der sich die Studie besonders intensiv widmet, ist Wolfgang Fränkel, dessen Amtszeit als Generalbundesanwalt 1962 nach nur wenigen Monaten mit einem »der größten NS-Skandale in der alten Bundesrepublik« endete. Aus der DDR gestreute Informationen belegten, dass Fränkel in seinen Jahren als sogenannter Hilfsarbeiter der Reichsanwaltschaft in Leipzig zwischen 1936 und 1943 mit Nichtigkeitsbeschwerden auf Dutzende Todesurteile hingewirkt hatte.

Über das Instrument der Nichtigkeitsbeschwerde konnte der Oberreichsanwalt eigentlich rechtskräftige Strafurteile nachträglich verschärfen lassen. Nach den Recherchen von Kießling und Safferling war Fränkel auf diese Weise für mindestens 30 Todesurteile verantwortlich. Einmal wurde etwa ein Hühnerdieb hingerichtet, den Fränkel, der später ab 1951 für die Bundesanwaltschaft arbeitete, als »völlig unwürdiges Glied der Volksgemeinschaft« bezeichnet hatte.

»Strafrechtliche oder auch nur disziplinarrechtliche Konsequenzen hatte die Sache für ihn nicht«, heißt es in dem Abschlussbericht des wissenschaftlichen Aufarbeitungsprojekts. »Das galt auch für alle anderen Juristen an der Bundesanwaltschaft, die eine materielle NS-Belastung aufwiesen, sei es, dass sie an Sonder- oder Militärgerichten während der NS-Zeit an Todesurteilen beteiligt gewesen waren oder in anderer Weise am NS-Unrecht mitgewirkt hatten.« asr

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