Remko Leemhuis

Entlarvendes Schweigen der Antisemitismus-Forscher

AJC-Direktor Remko Leemhuis Foto: imago images/Reiner Zensen

Seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel hat das Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin nichts, aber auch gar nichts Relevantes zur öffentlichen Diskussion beigetragen. Man sollte meinen, dass eine solche Institution dafür prädestiniert ist, wissenschaftliche Erkenntnisse über den antisemitischen Massenmord der islamistischen Einsatzgruppen zur öffentlichen Debatte beizusteuern.

Wer sich jedoch näher mit der Forschung des Instituts beschäftigt, stößt unweigerlich darauf, dass der islamische Judenhass in der wissenschaftlichen Arbeit am ZfA seit Jahrzehnten konsequent ignoriert oder relativiert wird und es somit keine Überraschung ist, dass man dort nichts zu diesem Thema zu sagen hat. Ganz im Gegenteil äußerte Uffa Jensen, stellvertretender Direktor und Professor am Institut, Ende des vergangenen Jahres auf die Frage der Verbreitung des Antisemitismus unter Muslimen hierzulande, dass dies »noch nicht detailliert erforscht« sei.

Dies ist nicht nur falsch, denn das Institut für Demoskopie Allensbach hat im Auftrag des AJC im Jahr 2022 eine repräsentative Befragung dazu vorgelegt. Zudem stellt sich die Frage, womit genau die Forscherinnen und Forscher des ZfA sich eigentlich beschäftigen, wenn nicht auch und gerade mit diesem Aspekt des gegenwartsbezogenen Antisemitismus.

Freilich ist dies alles nicht sonderlich neu, sondern bereits seit den Zeiten des notorischen Israelkritikers Wolfgang Benz gang und gäbe. Daher hat es am ZfA nach dem 7. Oktober auch nur zu einer dünnen, wenig aussagekräftigen Solidaritätserklärung gereicht, die nicht einmal den eliminatorischen Judenhass als Grund für diesen Massenmord nannte.

Verlässlich wie ein Schweizer Uhrwerk ist das ZfA jedoch zur Stelle, wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen gegen Antisemitismus zu diskreditieren. So kümmert man sich zwar nicht viel um die Opfer antisemitischer Gewalt hierzulande oder global, findet aber immer wieder kritische Worte für zivilgesellschaftliche Initiativen und Gruppen, die konkret versuchen, mit ihrer Arbeit Antisemitismus zu bekämpfen. Dies gilt auch für politische Maßnahmen, wie in der vergangenen Woche deutlich wurde.

So äußerte sich Uffa Jensen kritisch über die Initiative des Berliner Kultursenators Joe Chialo, der eine Klausel in Förderanträge einbauen wollte, einen Vorschlag, den er bedauerlicherweise erst mal wieder auf Eis gelegt hat, nach der Steuergelder nur erhalten kann, wer sich auf Grundlage der IHRA-Definition gegen Antisemitismus bekennt.

Sicherlich, es gäbe genug Gründe, darüber zu diskutieren, ob eine solche Klausel sinnvoll ist und dem Problem wirklich gerecht wird. Aber nicht erst seit der documenta fifteen sollte klar sein, dass es im Kunst- und Kulturbetrieb ein systemisches Problem mit Antisemitismus gibt.

Dafür spricht auch, dass als Reaktion auf Chialos Initiative tausende »Kulturschaffende« einen offenen Brief gegen die Reform unterzeichneten. Jensen begründete seine Ablehnung unter anderem damit, dass die Klausel für Zuwendungsempfänger »einfach zu anstrengend« sei und diese dann niemanden mehr einladen könnten, die etwas »Problematisches gemacht« hätten. Letzteres ist jedoch genau der Punkt.

Auch wenn im hiesigen Kulturbetrieb ein anderer Eindruck vorherrschen mag: Es gibt kein Grundrecht darauf, sich seine antizionistischen Machwerke und Veranstaltungen mit Steuermitteln finanzieren zu lassen. Und ebenso scheint hier bei Jensen als auch bei den Künstlern ein Missverständnis vorzuliegen. Denn nur weil man keine öffentlichen Gelder für seine Kunst bekommt, ist damit in keiner Weise die Kunstfreiheit eingeschränkt.

Vielleicht sollten die Geldgeber in Bund und Land auch die Verantwortlichen an der TU daran erinnern, dass dies ebenso für Forschungseinrichtungen gilt. Wenn ein Zentrum, dessen Mandat es ist, den Antisemitismus zu erforschen, offensichtlich nichts Substantielles zum tödlichsten Tag für Juden seit der Schoa beizutragen hat, stellen sich sehr grundsätzliche Fragen.

Der Autor ist Direktor des American Jewish Committee (AJC) Berlin.

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025

Internet

Expertin: Islamisten ködern Jugendliche über Lifestyle

Durch weibliche Stimmen werden auch Mädchen von Islamistinnen verstärkt angesprochen. Worauf Eltern achten sollten

 19.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Riad/Istanbul

Scheinbar doch kein Treffen zwischen Witkoff und Hamas-Führer

Es geht um die Umsetzung der nächsten Schritte des Trump-Plans. Den zentralen Punkt der Entwaffnung der Hamas lehnt die Terrororganisation ab

 19.11.2025 Aktualisiert