Berlin

»Ein größer werdendes Problem«

Demonstration am Al-Quds-Tag in Berlin Foto: dpa

Berlin

»Ein größer werdendes Problem«

Antisemitismusbeauftragte Claudia Vanoni warnt vor Zunahme von Judenfeindlichkeit unter Muslimen

 11.01.2019 15:17 Uhr

Die Antisemitismusbeauftragte der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, Claudia Vanoni, erhält zunehmend Berichte über Judenfeindlichkeit von Muslimen. Aus der polizeilichen Kriminalstatistik ergebe sich die Zunahme zwar nicht, sagte sie in einem Interview mit der »Welt«, das am Freitag erschienen ist.

»Aber auch mir wird in Gesprächen mit jüdischen Organisationen immer wieder berichtet, dass Jüdinnen und Juden Antisemitismus von Muslimen als größer werdendes Problem wahrnehmen«, so Vanoni.

Kontakte mit muslimischen Verbänden diesbezüglich sind laut Vanoni »bisher nicht« geplant. Aktuell konzentriere sie sich darauf, »die Zusammenarbeit mit den jüdischen Organisationen weiter auszubauen und erste gemeinsame Maßnahmen umzusetzen«. Die Oberstaatsanwältin ist seit Anfang September die bundesweit erste Antisemitismusbeauftragte der Strafverfolgungsbehörden.

POLIZEI Mit Blick auf die immer wieder geäußerte Kritik, die Kriminalstatistik sei beim Themenfeld Judenfeindlichkeit verzerrend, räumte Vanoni ein, dass die Polizei antisemitische Delikte bereits dann als »rechtsmotiviert« einstufe, wenn diese »keinem anderen Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität zugeordnet werden können und keine Anhaltspunkte gegen eine rechtsgerichtete Tat sprechen«.

Experten auf dem Gebiet der Antisemitismusforschung haben Vorbehalte bezüglich der Aussage, dass es sich bei den judenfeindlichen Übergriffen überwiegend um rechtsradikale Täter handele.

Die polizeiliche Kriminalstatistik steht wegen Ungenauigkeiten in der Kritik.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland und etwa auch die Berliner Recherche‐ und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) kritisieren, dass dieser Befund nicht das Ausmaß antisemitischer Vorfälle in Deutschland widerspiegelt und die Tätergruppen ungenau erfasst werden.

Dies beklagte jüngst auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, in einem Interview mit dieser Zeitung. »Aus den jüdischen Gemeinden höre ich, dass die subjektive Wahrnehmung der Bedrohung durch muslimisch geprägten Antisemitismus größer ist, als es in der Kriminalstatistik zum Ausdruck kommt.« Die Zuordnung von Delikt und Täter sei häufig fragwürdig. Deshalb müsse die Kriminalstatistik dringend überprüft werden.

Claudia Vanoni fordert eine bessere Erfassung antisemitischer Delikte.

FORTBILDUNGEN Unterdessen kündigte Claudia Vanoni nun Fortbildungen für Staatsanwälte an, etwa zu Ursachen und Erscheinungsformen von Antisemitismus, »damit antisemitische Motive von Straftaten noch besser erkannt werden können«. Antisemitismus sei als Tatmotiv nicht bei jeder Tat direkt sichtbar. Deshalb brauche es ein einheitliches Verständnis.

Außerdem fordert die Beauftragte eine bessere Erfassung antisemitischer Delikte: »Mir geht es darum, das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft in die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden zu stärken.« Studien zeigten beispielsweise, dass viele Opfer antisemitischer Straftaten vor einer Anzeige zurückschrecken oder sie für sinnlos erachten. »Das möchte ich ändern und die Betroffenen ermutigen, Strafanzeige zu erstatten.«

Dass in Berlin im Vergleich zur Einwohnerzahl die meisten antisemitischen Straftaten erfasst werden, so Vanoni, »dürfte unter anderem daran liegen, dass durch das Engagement zivilgesellschaftlicher Akteure mehr Straftaten gemeldet werden als anderswo«. Sie denke dabei etwa an die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus, die gut mit der Polizei zusammenarbeite.  kna/ja

Meinung

Wieder ein Milliarden-Blankoscheck für Palästina?

Europa will den Wiederaufbau Gazas mit 1,6 Milliarden Euro fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, durch Scheckbuchdiplomatie etwas zum Besseren verändern zu können?

von Jacques Abramowicz  07.11.2025

Jerusalem

Bischof Azar bedauert Irritation durch »Völkermord«-Äußerung

Weil er in einem Gottesdienst in Jerusalem von »Völkermord« an den Palästinensern sprach, hat der palästinensische Bischof Azar für Empörung gesorgt. Nun bedauert er, dass seine Worte Irritation ausgelöst haben

von Christine Süß-Demuth  07.11.2025

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten besetzen ZDF-Hauptstadtstudio

Die Polizei ist im Einsatz

 07.11.2025 Aktualisiert

Medienbericht

Katar soll mutmaßliches Missbrauchsopfer von Karim Khan ausspioniert haben

Das Emirat scheint sich in den Skandal um den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eingemischt zu haben, wie Recherchen nun zeigen

 07.11.2025

Berlin

Sarah Wedl-Wilson räumt Defizite bei Fördermittel-Vergabe ein

Wurden Gelder für Projekte gegen Antisemitismus rechtswidrig verteilt? Das werfen Grüne und Linke der Kultursenatorin vor. Nun äußert sie sich

 07.11.2025

Diplomatie

Kasachstan will sich den Abraham-Abkommen anschließen

US-Präsident Donald Trump kündigte den Schritt wenige Tage vor dem Besuch des saudischen Kronprinzen im Weißen Haus. Auch Saudi-Arabien solle seine Beziehungen zu Israel normalisieren, so die Hoffnung des US-Präsidenten

 07.11.2025

Antiisraelischer Beschluss

Linken-Spitze distanziert sich von Parteijugend

Die Linksjugend Solid wirft Israel unter anderem einen »kolonialen und rassistischen Charakter« vor – und löst in der Partei Empörung aus

 06.11.2025

Urteil

Betätigungsverbot für israelfeindlichen Aktivisten war rechtswidrig

Ghassan Abu-Sittah, der der israelischen Armee vorwirft, vorsätzlich Kinder zu töten, hätte auf dem »Palästina-Kongress« sprechen dürfen

 06.11.2025

Terrorismus

Nach Hamas-Festnahme: Waffenfund in Österreich

Der österreichische Verfassungsschutz stellte fünf Faustfeuerwaffen und zehn Magazine sicher

 06.11.2025