Ilana Katz

»Die documenta hätte so großartig werden können«

documenta-Besucher am Eingang zum Museum Fridericianum Foto: picture alliance/dpa

Frau Katz, sind Sie erleichtert, dass die documenta endlich vorbei ist?
Ich persönlich hatte mich auf die documenta zuerst sehr gefreut. Zu unserem Entsetzen hat sich der anfängliche Verdacht des Antisemitismus leider bewahrheitet. Derzeit beobachten wir, wie die Situation eskaliert, die Fronten sich noch weiter verhärten. Erleichterung spüre ich also nicht. Im Gegenteil: Ich gehe davon aus, dass uns die aktuellen Debatten noch lange über den September hinaus beschäftigen werden.

Selbst wenn die documenta vorbei ist, welche Spuren hat sie in der Jüdischen Gemeinde hinterlassen?
Die Betroffenheit ist groß. Wir stehen zu unserer Stadt und damit auch zu der documenta. Doch was jetzt passiert ist, hat in unserer Community mehr als nur Unverständnis ausgelöst. Viele sind zornig, bei manchen ist Angst da. Das ist ein enormer Vertrauensverlust und stellt unsere ganze Arbeit, auch die Erinnerungsarbeit, infrage.

Was wird konkret meinen Sie?
Wie konnte es passieren, dass dem Antisemitismus nicht entschlossener begegnet wurde? Warum spielt es in der Debatte keine Rolle, dass israelische oder jüdische Künstler nicht eingeladen wurden? Warum drehen sich die Diskussionen nur um einzelne Kunstwerke oder Personen, anstatt das große, strukturelle Problem zum Thema zu machen? All das bleibt unbeantwortet.

Wie hat man auf die Auseinandersetzungen um die antisemitischen Exponate reagiert?Wir haben mit dem Sara Nussbaum Zentrum in Kassel eine ganz besondere Bildungs- und Begegnungsstätte. In unserer Veranstaltungsreihe »serious! talk« sprachen Referenten zum Antisemitismus im Kunstbetrieb und auf der documenta. Zudem haben wir Statements veröffentlicht, über die innerhalb und außerhalb unserer Community viel diskutiert wurde.

Wurden Bedenken aus der Jüdischen Gemeinde ernst genommen?
Wir haben den Eindruck, dass unsere Statements und Veranstaltungen von vielen Menschen wahrgenommen werden. Mit der Kunstszene, übrigens auch mit dem Kuratorenkollektiv ruangrupa, stehen wir seit Monaten im Austausch, ebenso mit Verantwortlichen aus der Politik. Wir hoffen darauf, noch ernster genommen zu werden als zuvor. Aber der aktuelle Stand der Debatte gibt uns kaum Hoffnung.

Gab es Solidarität?
Wir erfahren viel Unterstützung von unseren Kooperationspartnern aus der Stadtgesellschaft. Auch erhalten wir immer wieder persönliche Schreiben, Anrufe oder Mails von Menschen, die ihre Solidarität ausdrücken.

Was hat sich persönlich für Sie dabei geändert?
Ich finde, es ist ein verlorener Sommer. Die documenta hätte so großartig werden können. Nun überschattet der Antisemitismus alles, und wir wissen nicht, was in Zukunft sein wird. Letztlich bekräftigt uns die aktuelle Debatte aber in dem, was wir tun.

Mit der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Kassel sprach Ralf Balke.

9. November

Erinnerung ohne Empathie ist leer

Wenn Deutschland am Sonntag der Pogromnacht gedenkt, darf Erinnerung nicht nur rückwärtsgewandt sein. Sie muss auch die Angst der Juden von heute im Blick haben

von Tobias Kühn  08.11.2025

Urteil

Betätigungsverbot für israelfeindlichen Aktivisten war rechtswidrig

Ghassan Abu-Sittah, der der israelischen Armee vorwirft, vorsätzlich Kinder zu töten, hätte auf dem »Palästina-Kongress« sprechen dürfen

 08.11.2025

Meinung

Wieder ein Milliarden-Blankoscheck für Palästina?

Europa will den Wiederaufbau Gazas mit 1,6 Milliarden Euro fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, durch Scheckbuchdiplomatie etwas zum Besseren verändern zu können?

von Jacques Abramowicz  08.11.2025

Jerusalem

Bischof Azar bedauert Irritation durch »Völkermord«-Äußerung

Weil er in einem Gottesdienst in Jerusalem von »Völkermord« an den Palästinensern sprach, hat der palästinensische Bischof Azar für Empörung gesorgt. Nun bedauert er, dass seine Worte Irritation ausgelöst haben

von Christine Süß-Demuth  07.11.2025

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten besetzen ZDF-Hauptstadtstudio

Die Polizei musste die Besetzung beenden

 07.11.2025

Medienbericht

Katar soll mutmaßliches Missbrauchsopfer von Karim Khan ausspioniert haben

Das Emirat scheint sich in den Skandal um den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eingemischt zu haben, wie Recherchen nun zeigen

 07.11.2025

Berlin

Sarah Wedl-Wilson räumt Defizite bei Fördermittel-Vergabe ein

Wurden Gelder für Projekte gegen Antisemitismus rechtswidrig verteilt? Das werfen Grüne und Linke der Kultursenatorin vor. Nun äußert sie sich

 07.11.2025

Diplomatie

Kasachstan will sich den Abraham-Abkommen anschließen

US-Präsident Donald Trump kündigte den Schritt wenige Tage vor dem Besuch des saudischen Kronprinzen im Weißen Haus. Auch Saudi-Arabien solle seine Beziehungen zu Israel normalisieren, so die Hoffnung des US-Präsidenten

 07.11.2025

Antiisraelischer Beschluss

Linken-Spitze distanziert sich von Parteijugend

Die Linksjugend Solid wirft Israel unter anderem einen »kolonialen und rassistischen Charakter« vor – und löst in der Partei Empörung aus

 06.11.2025