Prävention

»Das Thema drängt«

Marlene Schönberger, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Foto: Elias Keilhauer

Prävention

»Das Thema drängt«

Marlene Schönberger über Antisemitismus, politische Bildung und die Stärkung der Demokratie

von Joshua Schultheis  20.05.2022 08:28 Uhr

Frau Schönberger, Sie wurden vor Kurzem von der Bundestagsfraktion der Grünen ins Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) entsandt. Welche Aufgabe haben Sie in dieser Funktion?
Das Kuratorium ist dazu da, die politische Wirksamkeit der Aktivitäten der bpb zu überprüfen. Die Bundeszentrale leistet politische Bildungsarbeit, um unsere wehrhafte Demokratie zu stabilisieren und Menschen zu fähigen Demokratinnen und Demokraten zu machen. Das macht sie unter anderem durch Veranstaltungen und die Entwicklung von Lehrformaten und -materialien.

Sie haben angekündigt, sich bei der Bundeszentrale besonders für die Bekämpfung von Antisemitismus einzusetzen. Warum ist Ihnen das ein Anliegen?
Das Thema Antisemitismus drängt. Antisemitische Verschwörungsideologien waren lange nicht mehr so präsent wie heute, und antisemitische Vorfälle nehmen laut Kriminalstatistik zu. Das ist ein untragbarer Zustand, mit dem wir uns auf gar keinen Fall abfinden dürfen. Sowohl im Rahmen meines Bundestagsmandats als auch als Politikwissenschaftlerin beschäftige ich mich viel mit Antisemitismusbekämpfung.

Welche Rolle sollte die Bundeszentrale bei der Antisemitismusprävention spielen?
Es ist nicht so, dass die Bundeszentrale bisher keinen Fokus auf dem Thema hatte. Aber angesichts der erschreckenden Zahlen denke ich, dass man die Konzepte modernisieren und noch effektiver machen sollte. Wir brauchen neue Herangehensweisen beim Thema Antisemitismusprävention, in der ganzen Gesellschaft und allen Altersgruppen. An Grundschulen gibt es bisher so gut wie keine politische Bildung, und eine aktuelle Studie zeigt, dass viel zu viele junge Menschen nicht mehr wirklich wissen, was die Schoa war. Hier spielt die bpb eine Rolle, weil dort auch Materialien für Lehrkräfte angeboten werden.

Wo sind die Grenzen von Bildung?
Da, wo die Grenzen der Strafbarkeit überschritten werden, wie dies zum Beispiel Ende April auf israelfeindlichen Protesten in Berlin der Fall gewesen ist. Hier muss die Strafverfolgung greifen – und zwar konsequent. Wir müssen auch das Monitoring und die Recherche zu Antisemitismus stärken. Wenn wir Antisemitismus bekämpfen wollen, muss das immer mit einem umfassenden Maßnahmenpaket geschehen.

Sie haben öffentlich Antisemitismus »in allen politischen Strömungen« kritisiert. Was meinen Sie damit?
Ich bin da vollkommen klar und sage, Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es darf keinen Unterschied machen, von wem er geäußert wird. Deswegen habe ich immer gesagt, dass es auch im linken Spektrum, zu dem ich mich zähle, Antisemitismus gibt und wir diesen aufarbeiten und bekämpfen müssen. Ohne Selbstkritik kann die Bekämpfung nicht authentisch sein.

Mit der Bundestagsabgeordneten und Antisemitismus-Beauftragten der Grünen-Fraktion sprach Joshua Schultheis.

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

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