Meinung

Champions League der Judenhasser

Reflexe setzen sehr schnell ein. Kaum, dass bekannt wurde, dass der Profifußballer Mario Götze vom alten Deutschen Meister Borussia Dortmund zum neuen Bayern München wechselt, riefen anonyme Fans des Ruhrgebietsvereins eine Facebookseite »Mario Götze du Judensohn« ins Leben. Über 900 »Likes« binnen vier Stunden deuten an, dass hier einer sehr dumpfen Gemeinde tief aus dem Herzen gesprochen wurde. Facebook sperrte die Seite schnell, aber die Frage bleibt, woher – gerade im Fußball – die Bereitschaft rührt, Kritik an Transfergeschäften oder Schiedsrichterentscheidungen antisemitisch vorzutragen.

Dortmund und mit ihm der Fußballclub BVB gelten als Hochburg der westdeutschen Neonazis. Viel zu lange wurde immer nur nach Ostdeutschland geschaut, wenn es um Rechtsextremismus ging. Gerade die fußballerischen Erfolge der letzten Jahre haben die Sensibilität der Verantwortlichen für dieses Thema schleifen lassen. Jüngst schlugen rechtsextreme Fußballfans in der Ukraine einen Fanbetreuer zusammen, und seit nicht allzu langer Zeit sind wieder die unangenehmen »Sieg«-Rufe von der berühmten Dortmunder Südtribüne zu hören. Das Schimpfen über »Söldner« und »Millionarios« ist inhaltlich nicht weit von der Beleidigung als »Judensohn« entfernt.

schmähung Doch die antisemitische Schmähung verweist auf noch mehr. Es gibt in diesem Land etwas, das man neue Lockerheit nennen könnte, wenn es um Juden geht. Der Fußball als ein sozialer Raum, in dem traditionell mehr erlaubt ist als in anderen gesellschaftlichen Bereichen, ermöglicht es gerade jungen Leuten, gegen vermeintliche politische Korrektheit zu stänkern. Und gerade wenn es um rational nur schwer nachvollziehbare Dinge geht – die im Fußballsport oft vorkommen –, wird gerne über »dunkle Mächte« schwadroniert, die in der immer noch präsenten antisemitischen Tradition schnell zu »jüdischen Mächten« werden.

Bayern München hat, mehr als andere deutsche Clubs, eine Tradition liberalen Judentums in seiner Vereinsgeschichte. Doch wie im nichtfußballerischen Leben auch: Um antisemitisch angegriffen zu werden, bedarf es gar keiner Juden. Und wie sie sich verhalten, hat mit der schlimmen Lust, sie zu attackieren, nichts zu tun. Reflexe setzen sehr schnell ein. Überall. Im Fußball nur ein bisschen schneller.

Der Autor ist Publizist in Altenberge bei Münster. Demnächst erscheint in zweiter Auflage sein Buch »Der FC Bayern und seine Juden« (Werkstatt-Verlag).

Diplomatie

Bosnien: Diplomatischer Eklat um Nazi-Helm an deutschen UN-Vertreter

Vor 30 Jahren endete der Krieg in Bosnien und Herzegowina. Jetzt flammt die Debatte um die politischen Nachwehen von Neuem auf. Im Fokus eines skandalösen Angriffs steht ein deutscher UN-Politiker

 20.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  20.11.2025 Aktualisiert

Berlin

Messerangriff am Holocaust-Mahnmal: Prozess beginnt

Ein 19-jährigen Syrer soll dort im Februar einem spanischen Touristen lebensgefährlich verletzt haben. Aufgrund einer sofortigen Notoperation überlebte das Opfer

 20.11.2025

Washington D.C.

Trump unterschreibt Gesetz zur Freigabe von Epstein-Akten

Der Druck auf den US-Präsidenten wurde zu groß - nun hat er die Veröffentlichung von Akten zu einem Fall genehmigt, den er nicht loswurde. Was das bedeutet

von Anna Ringle, Franziska Spiecker, Khang Mischke, Luzia Geier  20.11.2025

Russischer Eroberungskrieg

Neuer US-Friedensplan: Ukraine unter Druck

Die USA haben Sanktionen gegen Russland verhängt, doch hinter den Kulissen scheint weiter verhandelt worden zu sein. Kiew trifft dies zu einem doppelt ungünstigen Zeitpunkt

 20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  20.11.2025

Essay

All die potenziellen Schüsse

In diesem Herbst liest man fast täglich von vereitelten Anschlägen auf Juden. Was die ständige Bedrohung mit uns macht

von Mascha Malburg  20.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025