Homosexualität

Bunte Gemeinde

Wir verstehen uns als Einheitsgemeinde, also sollten auch Homosexuelle Platz unter unserem Dach haben. Foto: Flash 90

Ich bin schwul, und das ist auch gut so.» Mit diesem Bekenntnis hat sich Berlins Regierender Bürgermeister, Klaus Wowereit, 2001 zu seiner gleichgeschlechtlichen Liebe bekannt. Ist es gut so oder nicht? Ich denke, es ist gut so, dass sich jeder offen zu seiner sexuellen Orientierung bekennen kann. Ansonsten geht es niemanden etwas an, wen und wie jemand liebt. Dennoch ist es wichtig – auch und besonders für uns Juden –, dass wir uns bei diesem Thema klar positionieren. Denn es gilt, auf Zusammenhänge zwischen Homophobie und anderen Phobien hinzuweisen. Menschen, die Homosexuelle anfeinden, neigen auch eher zu Antisemitismus.

Mangel an Toleranz ist ein Mangel an Wissen. Je mehr man über Menschen weiß, desto eher ist man bereit, jeden Menschen so zu nehmen, wie er ist – egal ob schwul, lesbisch, Jude, Sinti oder Roma. Deshalb engagiere ich mich auch für dieses Thema. Wenn wir in Schulklassen gehen und für Respekt werben, nimmt die Bereitschaft zur Diskriminierung anderer gesellschaftlicher Gruppen ab. Mir geht es dabei nicht nur um Toleranz, sondern auch um Respekt.

toleranz Und egal, wen und wie jemand liebt, woher er kommt oder was er glaubt, er verdient Toleranz. Es geht um Menschlichkeit. Und es geht um Akzeptanz. In diesem Sinne sehe ich auch die Bedeutung der homosexuellen Emanzipation. Ich lebe in einer Stadt, in der diese ihren Ursprung hat – lange vor den bunten Pride-Paraden und schrillen Feiern zum Christopher Street Day.

Zu verdanken ist das dem Berliner Arzt, Sexualreformer und Juden Magnus Hirschfeld. Er war ein Pionier. 1897 gründete er in Berlin mit anderen das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee, die erste Organisation, die sich für die Rechte Homosexueller einsetzte. Den Bemühungen dieses Komitees ist es unter anderem zu verdanken, dass sich der Reichstag mit dem Paragrafen 175 beschäftigte. 1929 wurde beschlossen, den Paragrafen, der homosexuelle Handlungen von Männern unter Strafe stellte, abzuschaffen.

nationalsozialisten Es kam anders. Die Nationalsozialisten verschärften den Paragrafen, sie verfolgten und ermordeten Homosexuelle. Letztendlich wurde die Passage erst 1994 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Hirschfelds Initiative von 1897 war Wegbereiter dafür. Dass wir in Berlin durch ihn so weit unserer Zeit voraus waren, das macht mich stolz. Aber der Kampf um die Rechte Homosexueller ist noch lange nicht zu Ende. Die aktuelle Diskussion um die steuerliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften zeigt das.

Doch wie sieht es nun in unserer jüdischen Gemeinschaft aus? Es gibt keine verlässlichen Statistiken, gleichwohl Angaben, nach denen mindestens fünf Prozent der Gesamtbevölkerung homosexuell sind. Das wird auch für unsere Gemeinden in Berlin, Frankfurt, Köln, München und anderswo gelten. Richtig ist, dass wir in den vergangenen Jahren schon recht offen mit diesem Thema umgegangen sind. Aber wenn man daran denkt, wie viele Schwule und Lesben es in unserer Gemeinschaft gibt und von welchen Problemen und Herausforderungen sie immer wieder berichten, sollten wir uns noch viel öfter und offener mit dem Thema auseinandersetzen.

ablehnung Da ist zum Beispiel das Gefühl vieler, sich zwischen Homosexualität und Religion entscheiden zu müssen. Wir kennen die Passage in der Tora (3. Buch Moses 18,22), in der es als «Gräuel» bezeichnet wird, wenn ein Mann mit einem anderen «wie mit einer Frau» zusammenliegt. Auch wiederholen talmudische Autoren die klare Ablehnung der Homosexualität.
Diese Einstellung existiert in vielen jüdischen Kreisen bis heute. Aber es gibt heutzutage auch sehr liberal denkende Orthodoxe, die mit diesem Thema überhaupt keine Schwierigkeiten haben.

Homosexualität wird hierzulande mehrheitlich akzeptiert. Aus einer Erhebung des amerikanischen Pew-Forschungsinstituts geht hervor, dass inzwischen 87 Prozent der Deutschen tolerant gegenüber Schwulen und Lesben sind. Ich finde es richtig, dass wir in der jüdischen Gemeinschaft ebenso denken, agieren und manchmal schon einen Schritt vorausgehen. Wenn wir uns als Einheitsgemeinde verstehen, sollten auch Lesben und Schwule Platz unter unserem Dach haben. Und wir sollten uns für ihre Belange einsetzen.

Als ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin war ich an der Gründung des Bündnisses gegen Homophobie beteiligt. Auch gehörten wir zu den Initiatoren der «Regenbogenbrücke» zwischen Berlin und Tel Aviv. Seitdem gibt es viele weitere sehr begrüßenswerte Ideen und Initiativen. Wie zum Beispiel die, dass in diesem Jahr erstmals am Vorabend des Berliner Christopher Street Day ein christlich-jüdischer Gottesdienst begangen wird. Berlin ist eine Stadt der religiösen und konfessionellen Vielfalt – wir Juden gehören dazu. Und das ist auch gut so.

Die Autorin ist Kuratoriumsvorsitzende des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg.

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