Barcelona

Bürgermeisterin kündigt Aussetzung aller Beziehungen zu Israel an

Im Wahljahr sorgt Ada Colau für eine Aussetzung der Städtepartnerschaft mit Tel Aviv. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Es ist ein weitreichender Schritt, den Ada Colau ankündigt: Nicht nur setzt die linke Bürgermeisterin die Städtepartnerschaft Barcelonas mit Tel Aviv »zeitweilig« aus, sondern auch sämtliche Beziehungen der Stadt zu Israel. Wenige Monate vor den nächsten Bürgermeisterwahlen begründete sie den Schritt in einem Schreiben an Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.

Es handelt sich um einen einmaligen Vorgang, der schon im Vorfeld viel Kritik jüdischer Organisationen hervorrief. Die Tatsache, dass zumindest bisher viele israelische Touristen nach Barcelona kamen, hielt Ada Colau nicht davon ab, den Schritt anzukündigen.

Menschenrechte In dem Brief an den israelischen Regierungschef warf Colau dem jüdischen Staat eine »eklatante und systematische Verletzung der Menschenrechte« vor. »Wir haben begriffen, dass wir uns nicht in Schweigen hüllen können«, schrieb sie, nicht ohne anzumerken, dass die Maßnahme »keinesfalls eine Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung« darstelle. »Es ist eine Kritik an einer Regierung, nicht an einem Volk, einer Gemeinschaft oder einer Religion.«

Der Plan, die Städtepartnerschaft mit Tel Aviv zu beenden, geht auf eine Initiative der linken Organisation »Coalición Basta Complicidad con Israel« zurück. Unterstützt wurde er auch von spanischen Gewerkschaften sowie der katalonischen NGO »Observatori DESC«, für die Ada Colau einst arbeitete. Die Bürgermeisterin ging nun jedoch noch einen Schritt weiter.

Erlass Zudem handelt sie nun per Erlass. Das Ansinnen sollte ursprünglich am 27. Januar im Stadtrat diskutiert werden, dem Internationalen Gedenktag für die Opfer des Holocaust. Aus »administrativen Gründen« wurde die Diskussion dann verschoben.

Aufgrund des Erlasses hoffte sie offenbar, eine Diskussion zu umgehen. Ihre sozialistischen Partner in der Stadtverwaltung, die PSC, kündigten jedoch an, sie würden die Sache dennoch im Stadtrat einbringen und sich für eine Wiedereinsetzung der Städtepartnerschaft mit Tel Aviv einsetzen.

»Die Entscheidung der Bürgermeisterin von Barcelona richtet sich völlig gegen die Meinung der Mehrheit der Bürger Barcelonas und ihrer Vertreter im Stadtrat.«

Lior Haiat, israelisches Außenministerium

In ihrem Schreiben an Netanjahu wies Colau darauf hin, dass Amnesty International und andere Organisationen »Praktiken des Staates Israel« verurteilt hätten, »die Verbrechen gegen die palästinensische Bevölkerung und gegen die Menschlichkeit« darstellen könnten.

Auch von »Apartheid und Verfolgung« ist in dem Brief die Rede, von palästinensischen Angriffen und Terroranschlägen, auf die Israel seit seiner Gründung reagieren muss, aber nicht.

Arbeitsdefinition Tatsächlich könnte der durch die Bürgermeisterin beabsichtigte Schritt Antisemitismus im Sinne dessen Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) darstellen. »Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen«, die mit dem Apartheid-Vorwurf wohl geäußert wurde, ist demnach Judenhass.

»Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird« ist in der Arbeitsdefinition ebenfalls aufgelistet. Während Ada Calau keine Maßnahmen gegen Staaten einleitete, die tatsächlich für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, griff sie den einzigen jüdischen Staat heraus, ganz im Sinne der antisemitischen BDS-Bewegung.

Beziehungen »Aus all diesen Gründen teile ich Ihnen mit, dass ich beschlossen habe, die Beziehungen zum Staat Israel und zu den offiziellen Institutionen dieses Staates, einschließlich des Partnerschaftsabkommens mit dem Stadtrat von Tel Aviv, vorübergehend einzustellen, bis die israelischen Behörden der systematischen Verletzung der Menschenrechte gegen die palästinensische Bevölkerung ein Ende setzen«, heißt es in dem Schreiben von Ada Colau.

Jüdische Organisationen kritisierten Colau schon im Vorfeld der Bekanntgabe scharf, inklusive der Federación de Comunidades Judías de España, dem spanischen Äquivalent des Zentralrates der Juden in Deutschland.

Druck Die israelitische Gemeinde in Barcelona kündigte an, sie werde einer Preisverleihung mit der Bürgermeisterin fernbleiben. In einem offenen Brief schrieb sie, die Entscheidung von Ada Colau repräsentiere Barcelona und seine Bewohner in keiner Weise.

Aufgrund der Kampagne, die zu den Maßnahmen gegen Israel geführt habe, steige nun der Druck auf die jüdischen Gemeinden. Zudem handle es sich um »ausgeklügelten Antisemitismus«.

Für das israelische Außenministerium erklärte dessen Sprecher Lior Haiat, die Entscheidung der Bürgermeisterin von Barcelona sei »bedauerlich« und richte sich »völlig gegen die Meinung der Mehrheit der Bürger Barcelonas und ihrer Vertreter im Stadtrat«. Zudem stärke die Maßnahme Extremisten, Terrorgruppen und Antisemiten.

Gedenkstätten

Gedenkzeichen für jüdische Ravensbrück-Häftlinge

Zur feierlichen Enthüllung werden unter anderem Zentralratspräsident Josef Schuster, die brandenburgische Kulturministerin Manja Schüle (SPD) und der Beauftragte für Erinnerungskultur beim Kulturstaatsminister, Robin Mishra, erwartet

 03.11.2025

Innere Sicherheit

Dschihadistisch motivierter Anschlag geplant: Spezialeinsatzkommando nimmt Syrer in Berlin-Neukölln fest 

Nach Informationen der »Bild« soll der Mann ein Ziel in Berlin im Blick gehabt haben

 02.11.2025 Aktualisiert

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  02.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  02.11.2025

Berlin/München

Nach Terror-Skandal beim ZDF: ARD überprüft Mitarbeiter in Gaza

Alle in Gaza tätigen Mitarbeiter hätten versichert, keinerlei Nähe zu Terrororganisationen zu haben, sagt der zuständige Bayerische Rundfunk

 02.11.2025 Aktualisiert

Jerusalem/Düsseldorf

Yad Vashem will beim Standort in Deutschland eine schnelle Entscheidung

In Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Sachsen soll erstmals außerhalb Israels ein Bildungszentrum zum Holocaust entstehen. Die Entscheidung soll zügig fallen

 02.11.2025 Aktualisiert

Düsseldorf

Wolfgang Rolshoven mit Josef-Neuberger-Medaille geehrt

Mit der Auszeichnung würdigte die Jüdische Gemeinde Rolshovens jahrzehntelanges Engagement für jüdisches Leben und seinen entschlossenen Einsatz gegen Judenhass

 31.10.2025

Nürnberg

»Nie wieder darf Hass die Oberhand gewinnen«

Kongressabgeordnete aus Washington D.C., Touristen aus China und Geschichtsinteressierte aus Franken: Das Interesse an den Nürnberger Prozessen ist 80 Jahre nach dem Start des historischen Justizereignisses ungebrochen

von Michael Donhauser  31.10.2025

Ankara

Offene Konfrontation zwischen Erdogan und Merz über Israel und Gaza

Eigentlich wollte der Bundeskanzler bei seinem Antrittsbesuch neue Harmonie in die deutsch-türkischen Beziehungen bringen. Bei einer Pressekonferenz mit mit türkischen Präsidenten kommt es stattdessen zur offenen Konfrontation

von Anne Pollmann, Michael Fischer, Mirjam Schmitt  31.10.2025