Statistik

Bisher mindestens 960 antisemitische Straftaten in diesem Jahr 

Gut geschützt: die Kölner Synagoge in der Roonstraße Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

Die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland bleibt weiterhin hoch. Das Bundeskriminalamt hat im ersten Halbjahr 2023 bereits 960 Straftaten registriert, darunter 25 Gewaltdelikte. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau, hervor, die der »Welt« vorliegt.

Im Vorjahr wurden zu diesem Zeitpunkt 965 antisemitische Straftaten gemeldet. Die Zahlen werden durch Nachmeldungen später oftmals massiv nach oben korrigiert.

Der Großteil der Straftaten im zweiten Quartal 2023 werden der politisch motivierten Kriminalität »rechts« zugeordnet. Demnach entfallen 380 der 446 gemeldeten Taten auf diesen Phänomenbereich. Unter den Delikten dominiert die Volksverhetzung, zudem wurden gefährliche Körperverletzung, Raub, Sachbeschädigung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemeldet.

Der Zentralrat der Juden zeigt sich besorgt. »Wir erleben eine Geisteshaltung, die jüdisches Leben nicht zu Deutschland zählt«, sagte Präsident Josef Schuster der Zeitung. Viele Taten rechnet Schuster dem Verschwörungsideologie-Milieu zu. »Wer geglaubt hat, nach Corona verschwinden alle Verschwörungsideologien, der wird nun eines Besseren belehrt«, sagte er.

Hinzu komme ein Graubereich außerhalb der Kriminalitätszahlen: »Viele kleinere Übergriffe oder auch Beleidigungen, meistens im Raum des muslimisch geprägten Antisemitismus, werden zudem von der Statistik gar nicht erfasst.«

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nennt die Zahlen »beschämend«: »Antisemitismus ist ein Angriff auf alle Werte, für die wir als demokratischer Rechtsstaat stehen«, sagte sie der Zeitung. Faeser sieht eine konsequente Strafverfolgung und ein entschiedenes Einschreiten der Polizei als wichtige Strategie.

»Es kann und darf nicht sein, dass Jüdinnen und Juden sich im öffentlichen Raum immer unsicherer fühlen müssen«, sagte auch Linken-Politikerin Pau. »Es lässt sich weiterhin ein beunruhigender Aufwärtstrend beobachten, der sicherlich nicht durch ein Einreißen von vermeintlichen Brandmauern gegen rechts gestoppt wird«, so die Vizepräsidentin des Bundestags. kna

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Gaza

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat nennt Ausladung Shanis »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Urteil

Bundesgerichtshof bestätigt Geldstrafen gegen Höcke

Das Landgericht Halle habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der AfD-Politiker die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland« und »Alles für« gerufen hat

 11.09.2025