Antisemitische Vorfälle sollen künftig besser erfasst werden. Dazu wurde am Donnerstag eine Kooperationsvereinbarung der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) und des Vereins für demokratische Kultur (VDK) in Berlin unterzeichnet.
Konkret soll Betroffenen geholfen werden, über das Erlebte zu berichten und judenfeindliche Angriffe anzuzeigen. Zudem sind Schulungen von Fachpersonal innerhalb der jüdischen Gemeinden geplant. Und die Öffentlichkeit soll verstärkt auf antisemitische Vorfälle aufmerksam gemacht werden, weil »der Umgang mit Minderheiten ein Gradmesser für das Zusammenleben in Berlin ist«, sagte Bianca Klose, Geschäftsführerin des VDK.
Sorge Dass Jahrzehnte nach der Befreiung vom Nationalsozialismus Juden in Deutschland weiter antisemitischen Vorfällen ausgesetzt seien und Unterstützung dagegen bräuchten, sei Anlass zur Sorge, betonte Benjamin Bloch, Direktor der ZWST: »Ich hätte mir nicht vorgestellt, dass wir 70 Jahre danach so etwas nötig haben.«
Viele Vorfälle kämen nur durch Zufall ans Licht, sagte Bloch. So hätten Jugendliche während jüdischer Ferienlager von verschiedenen Schulen in Deutschland berichtet, an denen sie mit Judenwitzen konfrontiert würden. Zur Schulleitung gingen sie dennoch in den meisten Fällen nicht, weil sie nicht auffallen wollten, betonte Bloch: »Sie kehren es unter den Teppich.«
Marina Chernivsky, Leiterin des Kompetenzzentrums für Prävention und Empowerment der ZWST, bestätigte, dass antisemitische Vorfälle oft zum Selbstschutz kleingeredet oder als traurige Normalität begriffen werden. »Wir müssen selbst aktiver werden«, jüdische Gemeinden und Betroffene sollten sichtbar für die deutsche Zivilgesellschaft ihre Erfahrungen mitteilen.
Online-Meldestelle In Berlin ist vor gut einem Jahr eine Online-Meldestelle an den Start gegangen. Die von dem Demokratieverein gegründete Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) hat seitdem nach eigenen Angaben mehr als 200 antisemitische Vorfälle erfasst, darunter zwei Drittel in Berlin und ein Drittel in anderen Bundesländern.
Der religionspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, begrüßte die Zusammenarbeit und forderte ein bundesweites Erfassungssystem: »Die Zusammenarbeit von RIAS und der ZWST ist ein Modell für den Bund, um ein Gesamtbild des Antisemitismus in Deutschland zu bekommen. Nur so können wir auch besser dagegen vorgehen.« ja/epd
Lesen Sie mehr dazu in der kommenden Printausgabe