Nahost

Auf dem Holzweg

Die Parlamente in Schweden, Spanien und Großbritannien haben für die einseitige Anerkennung eines Palästinenserstaates votiert. Foto: Thinkstock

Um eines gleich zu Beginn klarzustellen: Israel will eine Friedenslösung. Am Ende von Verhandlungen sollte es zwei Staaten geben: einen Staat Israel, die nationale Heimat des jüdischen Volkes, und einen Staat Palästina, die nationale Heimat des palästinensischen Volkes.

Das soll am Verhandlungstisch erreicht werden. Darüber haben sich beide Seiten in einer Reihe von Abkommen längst verständigt. Israel steht dazu. Nur scheinen die Palästinenser derzeit einen anderen Weg zu gehen. Sie wollen die unilaterale Anerkennung ihres Staates erreichen, allerdings ohne den Konflikt wirklich beizulegen. Statt mit Israel zu verhandeln, kämpfen sie für diesen Status in internationalen Gremien wie dem UN-Sicherheitsrat. Und sie investieren viel Zeit und Mühe, um entsprechende Unterstützung in den europäischen Ländern zu erhalten.

deklarationen
Mit Erfolg. Die Parlamente in Schweden, Großbritannien und Spanien haben sich für die einseitige Anerkennung eines Palästinenserstaates entschieden, Frankreich und andere werden folgen. Auch das Europaparlament setzt das Thema auf die Tagesordnung. Aber einmal abgesehen davon, dass diese Entscheidungen politisch keine wirkliche Bedeutung haben – es sind bloße Deklarationen –, ist das Signal aus Stockholm, London und Madrid das falsche. Die Palästinenser erhalten Rückenwind von der internationalen Gemeinschaft, ohne Gegenleistungen zu erbringen. So löst man keine Konflikte.

Handeln die Parlamentarier in gutem Glauben? Wollen sie Frieden erreichen? Ich glaube, ja. Aber wie sagt man: Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert. Für die Politik ist es eine Abstimmung wie viele andere. Für uns geht es um unsere Heimat. Das ist der Unterschied. Deshalb bezweifeln wir, ob diejenigen, die helfen wollen, wirklich Hilfe leisten.

Wir haben das größte Interesse daran, dass dieser Konflikt endlich beendet wird. Schließlich geht es um unser Leben. Uns trifft der Terror direkt. Insofern ist es besonders bedauerlich, dass das spanische Parlament ausgerechnet am Dienstag vergangener Woche, am Tag des mörderischen Anschlags auf die Beter in einer Jerusalemer Synagoge, den Beschluss für die unilaterale Anerkennung eines Palästinenserstaates gefasst hat.

voraussetzung Denn eine grundlegende Voraussetzung für die Beilegung des Konflikts ist die Abkehr von Terror und Gewalt. Beide Seiten müssen dazu bereit sein, müssen den Frieden wirklich wollen. Dafür ist es notwendig, Kompromisse einzugehen und Konzessionen zu machen. Wir sind dazu bereit. Das haben wir mehrfach bewiesen, zum Beispiel bei den Verhandlungen Ende 2008. Die Frage ist, ob auch die andere Seite dazu bereit ist. Deren derzeitiger Kurs deutet darauf hin, dass sie eine Abkürzung nehmen will, um ans Ziel zu gelangen.

Insofern kann ich Stimmen im Europaparlament kaum ernst nehmen, die glauben, dass die einseitige Anerkennung eines Palästinenserstaates durch immer mehr europäische Staaten deren Ungeduld mit der Siedlungspolitik Jerusalems widerspiegelt. Die Behauptung, dass die Siedlungen das Haupthindernis für den Frieden sind, ist falsch. Es werden keine neuen Siedlungen gegründet. Wir sprechen derzeit über zusätzlichen Wohnungsbau in sogenannten Siedlungen in Ost-Jerusalem.

Über diese Wohnviertel herrscht längst Einvernehmen, dass sie Teil Israels bleiben und die Palästinenser dafür einen Ausgleich bekommen. Zudem haben wir mehrfach unter Beweis gestellt, dass territoriale Fragen kein Hindernis sind. Vor fünf Jahren hat die israelische Regierung unter Premierminister Netanjahu und Außenminister Lieberman ein zehnmonatiges Siedlungsmoratorium als Zeichen des guten Willens an die Palästinenser erlassen.

verhandlungstisch Diese haben auch diese Gelegenheit nicht genutzt, um an den Verhandlungstisch zurückzukehren, sondern neue Bedingungen gestellt. Die Siedlungspolitik ist nicht das Hindernis. Das wird vielmehr von den Palästinensern behauptet, um Zeit zu gewinnen und mit dem Bemühen um einseitige Anerkennung ihres Staates durch die internationale Gemeinschaft Fakten zu schaffen.

Gerade jetzt sollten die Europäer besser denn je verstehen, wie groß die Bedrohung aus dem Nahen Osten ist, nicht nur für uns und andere Länder in der Region, sondern auch für Europa. Man denke nur an den IS. Dass in diesem Moment die Parlamente in Schweden, Großbritannien, Spanien und nun auch Frankreich mit derart überwältigender Mehrheit für die Anerkennung eines Palästinenserstaates stimmen, ist nicht nachvollziehbar.

Europa ist der wichtigste Finanzier der Palästinenserbehörde und sollte nicht zuletzt mit Blick auf Steuergelder, die dort ausgegeben werden, mehr Druck auf Ramallah ausüben. Auf Israel übt man diesen Druck ja auch aus. Es liegt mehr denn je im europäischen Interesse, dass dieser Konflikt endlich zu einem Ende kommt, dass beide Seiten an den Verhandlungstisch zurückkehren. Doch der Weg, der in diversen europäischen Parlamenten beschritten wurde, ist der falsche. Frieden lässt sich so nicht erreichen.

Der Autor ist Botschafter des Staates Israel in Deutschland.

Meinung

Syrien und die verfrühte Freude des Westens über den Sieg der Islamisten

Ein Gastkommentar von Ingo Way

von Ingo Way  11.12.2024

Porträt

Wer ist der Mann, der Assad gestürzt hat?

Abu Mohammed al-Golani hat sich oft gewandelt. Der Anführer des Aufstandes, der der jahrzehntelangen Diktatur der Familie Assad in Syrien binnen Tagen ein Ende setzte, hat jahrelang an seinem Image gearbeitet

von Kareem Chehayeb  10.12.2024

Jubiläum

100 Jahre Wohlfahrtsverbände - Politik lobt unverzichtbare Arbeit

Bundespräsident Steinmeier betonte, mit ihrer Arbeit und ihrer Solidarität stärkten die Wohlfahrtsverbände wie die ZWST auch die Demokratie

von Birgit Wilke  10.12.2024

Brandenburg

Holocaust-Gedenken soll ohne AfD stattfinden

Führende AfD-Vertreter hätten die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost und die Ausrichtung der gegenwärtigen Erinnerungskultur massiv infrage gestellt

 10.12.2024

Meinung

Der Papst und sein einseitiges Mitgefühl für Judenfeinde

Das Jesus-Kind in ein Palästinensertuch einzuwickeln zeigt, dass der Vatikan seine Tradition verleugnet, um im Nahostkonflikt Partei zu ergreifen

von Maria Ossowski  10.12.2024

Meinung

Amnesty, Israel und die »Untermenschen«

Die Verleumdung Israels durch die Menschenrechtsorganisation ist einmal mehr beispiellos. Ein Kommentar von Wolf J. Reuter

von Wolf J. Reuter  10.12.2024

Stuttgart

Drei mutmaßliche Islamisten wegen Terrorplänen festgenommen

Zwei Brüder und ein junger Mittäter sollen sich ein Sturmgewehr besorgt und einen islamistischen Anschlag geplant haben. Einer ist gerade mal 15 Jahre alt

 10.12.2024

Universität

Unter Druck

An der FU Berlin wurde eine Ausstellung über antisemitische Pogrome abgesagt, weil man »emotionale Reaktionen« befürchtete. Es ist ein Fall, der sich in ein Muster fügt

von Chris Schinke  10.12.2024

Wuppertal

Haldenwang will Judenhass als Politiker bekämpfen

Dass der frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz nun für den Bundestag kandidiert, hat auch mit dem Rechtsextremismus zu tun

 10.12.2024