Einspruch

Auf Bewährung?

Doron Rabinovici fragt nach dem Sinn des Richterspruchs im Prozess gegen den KZ-Wachmann Bruno D.

von Doron Rabinovici  30.07.2020 11:26 Uhr

Doron Rabinovici Foto: dpa

Doron Rabinovici fragt nach dem Sinn des Richterspruchs im Prozess gegen den KZ-Wachmann Bruno D.

von Doron Rabinovici  30.07.2020 11:26 Uhr

Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler vertrat Überlebende des Vernichtungslagers Stutthof im Prozess gegen den SS-Mann Bruno D. Eindrücklich erklärte er in dieser Zeitung die Notwendigkeit solcher Verfahren.

Daimagüler zitierte meine Mutter, Schoschana Rabinovici: »Vergesst uns nicht! Erzählt es weiter!« Sie, die Stutthof durchlitten hatte, mahnte die Erinnerung an die Vernichtung an. Daimagüler schrieb: »Rabinovici ging es nicht darum, einen alten Mann hinter Gitter zu bringen.«

strafe Aber zu dieser Frage konnte sich meine Mutter gar nicht mehr äußern. Sie verstarb im August 2019, ehe der Prozess begann. Ich denke indes, sie hätte für die »Strafe auf Bewährung«, die dieser 93-Jährige erhielt, nur sarkastische Bemerkungen übrig gehabt. Was soll »auf Bewährung« hier heißen? Der Angeklagte geht frei, so er im nächsten Tausendjährigen Reich nicht zum Täter wird?

Viele würden es gewiss nicht verstehen, käme dieser Greis in Haft. Bei einem Kindsmörder wäre die Stimmungslage wohl anders.

Viele würden es gewiss nicht verstehen, käme dieser Greis in Haft. Bei einem Kindsmörder wäre die Stimmungslage wohl anders. Das Mitleid hielte sich in Grenzen. Auf Bewährung könnte so einer kaum hoffen, selbst wenn er bereits über 90 wäre und die Tat 70 Jahre zurückläge.

schuld Bruno D. sagt, er habe die ausgemergelten Leichen, die Gaskammern, die Krematorien und die Scheiterhaufen gesehen. Aber woran die Menschen gestorben sind, will der einstige SS-Mann nicht gewusst haben. Es ist kaum zu fassen. Er leugnet immer noch jede persönliche Schuld. Es ist, als hätte er die Uniform mit Totenkopf bis heute nicht ausgezogen.

Umso wichtiger ist, diese letzten Täter vor Gericht zu bringen und einen wie Bruno D. schuldig zu sprechen. Aber an der Monstrosität dieser Verbrechen scheitert das Bürgerliche Gesetzbuch, ob es um den Massenmörder oder einen bloßen Henkershelfer geht. Was kann angesichts der Schoa überhaupt als angemessenes Strafmaß gelten? Gibt es denn ein Urteil, das der Vernichtung von Millionen gerecht wird? Was den Opfern widerfuhr, bleibt uneinlösbar.

Der Autor ist Schriftsteller und Historiker. 2017 erschien sein Roman »Die Außerirdischen«.

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