NSU

Auch Juden im Visier

Ein früher NSU-Anschlag? 1998 zerstörten Unbekannte das Grab Heinz Galinskis. Foto: imago

Der Fall NSU zeigt, dass nichts unmöglich ist.» Holger Münch, der Präsident des Bundeskriminalamts, brachte es unmittelbar nach dem überraschenden Fund von DNA-Spuren des Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt im Zusammenhang mit dem Mordfall Peggy auf den Punkt. Denn neue Erkenntnisse werfen zahlreiche Fragen auf: Hatte das NSU-Trio nicht nur erwachsene Menschen mit Migrationshintergrund, türkisch- und griechischstämmige Männer, ermordet, sondern auch mehrere Kinder?

Für die These spricht, dass die Ermittler auf den Rechnern der drei Neonazis reichlich kinderpornografisches Material gefunden hatten. Auch ein Fall aus dem Jahr 1993 wird nun neu aufgerollt. Damals verschwand in Jena der neunjährige Bernd, und Böhnhardt wurde dazu von der Polizei vernommen.

judenhass Ungeklärt ist immer noch: Was genau führten Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gegen Juden im Schilde? Hatten sie bereits Anschläge auf jüdische Einrichtungen verübt?

Dass Juden ebenfalls Zielscheibe des NSU waren, ist bekannt. 1996 bereits hatte Böhnhardt nahe Jena am Geländer einer Brücke über der A4 eine Puppe mit einem Davidstern aufgehängt, die in einer Schlinge steckte, sowie zwei Bombenattrappen. Rasch kam die Polizei auf Böhnhardt. Die beiden anderen deckten ihn vor Gericht, kurze Zeit später tauchten alle drei unter.

Auch das von dem Trio entworfene und vertriebene Brettspiel «Pogromly» – eine Art Monopoly, bei dem das Ziel lautete, Städte «judenfrei» zu machen – spricht Bände über ihre Ideologie. Und in ihrer 2011 teilweise verbrannten Wohnung in Zwickau fanden die Ermittler Listen mit 10.000 Adressen, darunter auch die des jüdischen Friedhofs in Berlin-Charlottenburg, wo 1998 zwei Sprengsätze an der Grabstätte von Heinz Galinski explodiert waren und massiven Schaden angerichtet hatten. 2002 wurde zudem eine Rohrbombe in den Eingangsbereich der Trauerhalle geworfen. Bis heute konnten die Urheber beider Anschläge nicht ermittelt werden.

Nun verdichten sich die Hinweise, dass beide Anschläge vielleicht auf das Konto der NSU-Mörder gehen könnten. Denn am 6. Oktober wartete Nebenkläger-Anwalt Yavuz Narin mit einer Überraschung im Prozess gegen Zschäpe auf und präsentierte die Aussagen des Berliner Polizisten Frank G., der am 7. Mai 2000 als Objektschützer vor der Synagoge Rykestraße in Prenzlauer Berg im Einsatz war.

Damals waren ihm Beate Zschäpe und Uwe Mundlos aufgefallen, die in Begleitung eines weiteren Mannes sowie einer Frau mit zwei Kindern in einem Lokal gegenüber saßen. Offensichtlich sondierten sie das Terrain, womöglich planten sie einen Anschlag. Am selben Abend noch hatte Frank G. die MDR-Sendung Kripo live gesehen, in der das NSU-Trio gezeigt worden war. Zwei der Gesuchten erkannte er wieder und meldete dies tags darauf dem LKA. Doch auch dieser Hinweis versandete im behördlichen Nirwana.

prozess Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte vor dem Oberlandesgericht München, wollte sich zu den neuen Vorwürfen jedenfalls nicht äußern. Auf die Frage des Richters Manfred Götzl, ob sie sich wirklich am 7. Mai 2000 in Berlin aufgehalten habe, reagierte sie – wie so oft – mit Schweigen. Ihr Anwalt Mathias Grasel erklärte daraufhin, dass seine Mandantin sich schriftlich äußern werde. Wann genau, wollte er jedoch nicht näher präzisieren. «Das werden wir in Ruhe besprechen», lauteten seine Worte.

Für Andreas Nachama, den früheren Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, offenbart sich damit eine neue Dimension im rechten NSU-Terror. «Ich halte es für sehr dringlich, da Licht reinzubringen», sagte er mit Hinweis auf die noch offenen Fälle in der Hauptstadt.

Und auch ein weiterer bis dato ungeklärter antisemitischer Vorfall könnte vielleicht erneut zur Sprache kommen: der Rohrbombenanschlag vom Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn vom Juli 2000, bei dem zehn jüdische Zuwanderer aus der Ex-UdSSR teils schwer verletzt wurden und eine schwangere Frau ihr Baby verloren hatte. Denn auch der NSU bastelte Sprengkörper dieser Bauart. Die zeitliche Nähe würde passen.

Weimar

Zwischen Halbmond und Hakenkreuz - Wie Muslime der Waffen-SS nach Buchenwald kamen

Ende 1944 erreichen das Konzentrationslager Buchenwald wenigstens zwei Transporte mit muslimischen Gefangenen. Die mehr als 100 Bosnier sind Angehörige der Waffen-SS und in ihrer Heimat desertiert. Bislang ist wenig über ihr Schicksal bekannt

von Matthias Thüsing  19.03.2025

Hamburg

Hunderte nehmen Abschied von Peggy Parnass

Bei der Trauerfeier hebt Bürgermeister Peter Tschentscher ihr Engagement gegen Rechtsextremismus hervor

 19.03.2025

Interview

»Ich stehe zur Verfügung«

Felix Klein über seine künftigen Vorhaben, Erfolge und Misserfolge im Kampf gegen Judenhass sowie die umstrittene Antisemitismus-Konferenz in Jerusalem

von Nils Kottmann  18.03.2025

Meinung

Jürgen Trittin verharmlost den NS-Terror

Der Ex-Bundesumweltminister stellt Donald Trump auf eine Stufe mit den Nazis. Das ist völlig daneben

von Michael Thaidigsmann  18.03.2025

New York

Annalena Baerbock soll Präsidentin der UN-Generalversammlung werden

Nach der Bundestagswahl hatte Außenministerin Annalena Baerbock erklärt, sie wolle einen Gang zurückschalten. Nun ist klar: Die Grünen-Politikerin will auf einen Posten nach New York wechseln

 18.03.2025

Oberschleißheim/München

NS-Raubgut? »Wissenschafts-Krimi« um altes Militärflugzeug

Deutsche und niederländische Forscher untersuchen ein verdächtiges Militärflugzeug aus der Flugwerft Schleißheim. Ist es Nazi-Raubgut? Oder ein Geschenk für einen Kriegsverbrecher?

von Britta Schultejans  18.03.2025

USA

US-Regierung verteidigt Festnahme von Hamas-Unterstützer

Amerikanischen Medien zufolge sitzt der israelfeindliche Aktivist Machmud Chalil weiterhin ohne offizielle Anklage in Haft

 18.03.2025

Washington D.C./Paris

Trump-Sprecherin: Freiheitsstatue bleibt in den USA

Der französische Politiker Raphaël Glucksmann hatte die USA mehr oder weniger ernsthaft aufgefordert, die Freiheitsstatue zurückgeben

 18.03.2025

Jerusalem

Wegen Operation »Kraft und Schwert«: Ben-Gvir wird wieder Teil der Regierung

Auch die anderen Minister der Partei Otzma Yehudit nehmen ihre Arbeit in der Koalition wieder auf

 18.03.2025