Einspruch

Als Jüdin im Visier

Andrea M. Jarach Foto: privat

Einspruch

Als Jüdin im Visier

Andrea M. Jarach sieht bei der italienischen Regierung eine Mitschuld an der Hetze gegen die Politikerin Elly Schlein

von Andrea M. Jarach  23.03.2023 09:42 Uhr

Elly Schlein, designierte Chefin der Partito Democratico, hat kurz nach ihrer Wahl am 26. Februar öffentlich gemacht, dass sie wegen ihrer vom Vater geerbten »jüdischen Nase« mit Spott überzogen wird. Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Rom, Ruth Dureghello, kritisierte sie daraufhin, denn Stereotypen zu unterstreichen, verfestige diese.

Als Gegenspielerin der rechtspopulistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat die Oppositionsführerin Schlein eine starke symbolische Macht, und die Attacken gegen sie häufen sich. Im Netz erscheinen Posts mit klaren Hinweisen auf ihre jüdische Herkunft, zum Beispiel mit einer Davidstern-Binde an ihrem Arm und zuletzt ein Slogan auf einer Mauer in der Stadt Viterbo, darunter ein Hakenkreuz. Das bewegte sogar Meloni dazu, Solidarität mit Schlein zu zeigen.

fratelli d’Italia Dennoch bleibt das Hauptproblem: Melonis Partei Fratelli d’Italia distanziert sich nicht eindeutig vom Erbe des Faschismus, wie es die Vorgängerpartei Alleanza Nazionale getan hat. So hat Meloni nie auf das Symbol der dreifarbigen Flamme in Erinnerung an den Faschismus im Wappen ihrer Partei verzichtet und macht ihn damit salonfähiger.

Die Hemmschwelle für neofaschistische Gruppierungen wurde gesenkt.

In der eher linken Tageszeitung »Il Fatto Quotidiano« erschien dann auch eine satirische Zeichnung von Schlein, die in jüdischen Foren Empörung auslöste. Chefredakteur Marco Travaglio verteidigte die Karikatur mit großer Hakennase und sichtbarem Zahnfleisch als Satire. Immer wieder werden Politiker mit Zeichnungen verspottet – die Satire ist ein hohes Gut, aber in der Form antisemitischer Propaganda wurde lange niemand mehr karikiert.

Die Hemmschwelle für neofaschistische Gruppierungen wurde gesenkt, nachdem Fratelli-Politiker wie Senatspräsident La Russa angekündigt hatten, den Feierlichkeiten anlässlich der Befreiung Italiens von den Nationalsozialisten am 25. April 1945 fernzubleiben. Meloni wäre jetzt gut beraten, ihre bereits im Dezember zugesagte Teilnahme erneut zu bestätigen.

Der Autor ist Publizist in München und stammt aus Mailand.

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