Analyse

Allein

Völkermord? Israels Armee unternimmt mehr als jede andere Armee im Krieg dafür, Zivilisten zu schützen und die humanitäre Lage zu verbessern. Foto: picture alliance / Alexander Farnsworth

»Die Lüge wird zur Weltordnung gemacht.« Selten passte die Erkenntnis, die Franz Kafka in seinem Roman Der Prozess formuliert, so perfekt zu unserer Zeit wie in dieser Woche, als die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, in ihrem Bericht »Anatomie eines Völkermordes« Israel genau einen solchen vorwirft.

Völkermord – es ist der fast sprachlos machende Höhepunkt einer geschickt inszenierten Täter-Opfer-Umkehr, die wir hier dennoch in Worte fassen wollen. Albanese reiht sich damit in jene Riege selbst ernannter Nahostexperten ein, denen Empirie genauso fremd ist wie Empathie. Sie blendet aus, was am 7. Oktober geschah, und outet sich damit als Marionette der Hamas, die mit ihrem Massaker strategisch genau diese Entwicklung geplant hatte.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Überall in der westlichen Welt lässt sich diese beunruhigende Erosion des Mitgefühls in Kombination mit Blindheit beobachten. Es begann direkt nach dem Massaker, als Medien und Politik zwar aufschreckten, die Mehrheit der Deutschen jedoch dem kollektiven Schweigen verfiel.

Zwar demonstrierten in Berlin 20.000 Menschen für Israel – als zwei Jahre zuvor Russland die Ukraine überfallen hatte, waren es aber eine halbe Million. Statt Mitgefühl machte ein schrecklich abstrakter Begriff die Runde, und zwar Kontextualisierung. Man müsse dieses Massaker im historisch-politischen Kontext sehen, und der, so beispielsweise die Leiterin einer Berliner Kulturinstitution, sei nun einmal schwierig. Als ob es eines solchen bedürfte, um das Morden fanatischer Sadisten zu erklären, die Menschen jeden Alters abschlachteten, vergewaltigten und verstümmelten!

Was wäre, wenn wir keine jüdischen Freunde hätten, Israel nie besucht und ich über das Land nie geschrieben hätte?

Kontext – was für eine bemühte rhetorische Abstandsbewahrung, um sich einer Vorstellung des Grauens zu verweigern. Dieser Appell an eine einseitige Kontextualisierung ist stets verbunden mit einer Schuldzuweisung an Israel und quält all jene, die im Dauerfeuer der Gaza-Horrormeldungen ihr Mitgefühl für Israel noch nicht verloren haben. Als Angehörige dieser seltenen Spezies habe ich mir ein Gedankenspiel erlaubt: Was wäre, wenn wir keine jüdischen Freunde hätten, Israel nie besucht und ich über das Land nie geschrieben hätte?

Was wäre, wenn mir das Judentum als Nichtjüdin völlig fremd wäre? Ich gehörte dann sicher zur Mehrheit in Deutschland, wäre aber immer noch mit Leib und Seele eine freie, unabhängige Frau, die Musik und Kunst liebt.

Um den ständig zitierten, Israel beschuldigenden Kontext nicht einseitig zu begreifen, empfehle ich ganz dringend die Lektüre der Charta der Hamas von 2017. Laut dieser ist eine Frau lediglich dazu da, Söhne zu Kriegern und Töchter zu gehorsamen Ehefrauen zu erziehen. Musik? Tanz? Kunst? Derlei gilt als Teufelszeug, allein die islamische Kultur erbaut im Sinne der Hamas die Seele. Unsere westliche Lust am Leben?

Sie hat keinen Wert für Dschihad-Kämpfer. »Der Tod für Gott ist ihr hehrster Wunsch.« Die Charta der Hamas ist ein Dokument der Menschenverachtung, in dem auf Juden als Erzfeinde eigentlich alle folgen, die sich dem religiösen Wahn der Islamisten nicht unterwerfen wollen. Außerdem hätten Juden die Protokolle der Weisen von Zion verfasst und wollten die Weltherrschaft an sich reißen, was man mit dem Dschihad wiederum verhindern würde.

Es wird Zeit, endlich die Tür zur Wahrheit aufzustoßen

Wie anders dagegen Israel, eine Gesellschaft, in der ultraorthodoxe Juden ebenso ihren Raum haben wie queere Partymacher, arabische Ärztinnen, zweifelnde Intellektuelle – oder einfach jeder, der »a Mentsch« ist. Das Massaker hat dieses Israel schwer traumatisiert. Es sollte aber auch eine Warnung an alle Menschen in einer freien Welt sein. »Sei froh, dass wir dich nicht versklaven. Du trittst sowieso bald ab«, drohte mir nach einem TV-Auftritt ein deutscher Hamasanhänger auf Instagram.

Warum schweigt hierzulande die Mehrheit zu der ganz offen kommunizierten Absicht der Hamas, ein kleines Land mitsamt seiner Bevölkerung zu vernichten, um dort ein islamistisches Terror­regime zu errichten? Warum erwähnt kaum jemand genau diesen Kontext in Bezug zu dem Massaker und die Gefahren, die dadurch ebenfalls für die westliche Welt ausgehen? Warum gerät der entsetzliche Auslöser für den Gazakrieg aus dem Blickfeld westlicher Gesellschaften? Warum hat man in der akademischen Linken fast schon obsessiv allein die Themen Siedler und Netanjahus rechtsradikale Koalitionspartner im Blick, um das Massaker zu erklären?

Natürlich ließe sich darüber kontrovers diskutieren – aber bitte nicht im Zusammenhang mit den Ursachen des Massakers und der für Israel überlebensnotwendigen Zerstörung der Hamas. Es gibt nur einen Kontext für das Massaker der Hamas, und das sind ihre gegen Israel gerichteten genozidalen Pläne und die bedauerlicherweise funktionierende Strategie der Islamisten, die zu erwartende militärische Antwort der Israelis als Völkermord an den Palästinensern erscheinen zu lassen, kurzum eine Verdrehung der Tatsachen, die auf eine Lüge als Weltordnung hinausläuft.

Deshalb noch einmal Kafka: »Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man.« Es wird Zeit, endlich die Tür zur Wahrheit aufzustoßen und den Schlüssel danach ins Meer zu werfen.

Den Haag

Erste Entscheidung in Klage gegen Deutschland am Dienstag

Im Verfahren Nicaragua gegen Deutschland will der Internationale Gerichtshof am Dienstag seinen Beschluss zu einstweiligen Maßnahmen verkünden

 26.04.2024

Meinung

Steinmeier auf Kuschelkurs mit einem Terrorfreund

Der Bundespräsident untergräbt mit seiner Schmeichelei gegenüber Recep Tayyip Erdogan einmal mehr Deutschlands Staatsräson

von Nils Kottmann  26.04.2024

Berlin

»Menschen haben nach dem 7. Oktober ihr wahres Gesicht gezeigt«

Ahmad Mansour wundert sich nicht über die Schließung zweier Jugendzentren in Berlin

von Sophie Albers Ben Chamo  26.04.2024

Diplomatie

USA, Großbritannien und Kanada verhängen Sanktionen gegen Iran

Es handelt sich um eine Reaktion auf den iranischen Angriff auf Israel

 26.04.2024

USA

Antiisraelische Proteste an Unis: Abschlussfeier abgesagt

An der Ostküste werden mehr als hundert Festnahmen gemeldet

 26.04.2024

Berlin

Polizei verbietet antiisraelisches »Palästina-Protestcamp«

Die Teilnehmer hätten Straftaten begangen, darunter auch Volksverhetzung, sagt die Polizei

 26.04.2024

Köln

Wallraff-Preis für israelische und palästinensische Initiativen

Mit gemeinsamen Aktionen setzen sich »Women of the Sun« und »Women Wage Peace« für Frieden ein

 26.04.2024

Berlin/Gaza

Brief an Hersh Goldberg-Polin

Lieber Hersh, wir kennen uns nicht – und doch sind unsere Lebenswege verbunden ...

von Ruben Gerczikow  26.04.2024

Berlin

Zentralrat der Juden kritisiert deutsche UNRWA-Politik

Josef Schuster: »Die Bundesregierung tut sich mit dieser Entscheidung keinen Gefallen«

 26.04.2024