Angesichts des wachsenden Zuspruchs für die AfD werden Warnungen vor einer Erosion der Demokratie in Deutschland lauter. Der Plan rechter Vordenker sei es, sämtliche Institutionen der liberalen Demokratie schrittweise auszuhöhlen: Justiz, Medien, Parlament und anderes mehr, sagte der Terrorexperte Peter Neumann dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Andreas Voßkuhle, erklärte, die politischen Köpfe der AfD zielten »auf eine grundsätzliche Systemveränderung«.
Neumann warnte, es sei gefährlich, den Rechten »einfach mal eine Legislaturperiode« das Regieren zu überlassen. Sie würden das System »schleifen«, indem sie AfD-Sympathisanten an entscheidenden Stellen platzieren, sagte der Professor für Sicherheitsstudien am Londoner King’s College. So würde zwar am Ende noch ein demokratischer Anschein gewahrt. Aber letztlich hätten die Opposition oder die Medien dann keine Chance mehr, eine rechte Regierung noch effektiv zu kontrollieren, mahnte er.
Voßkuhle sagte dem »Tagesspiegel«, die AfD als stärkste Fraktion in einem oder mehreren Landtagen würde die politische Landschaft Deutschlands »umkrempeln«.
»Die Landtagswahlen 2024 müssen uns daher beunruhigen«, erklärte der Vorsitzende des Vereins »Gegen Vergessen - für Demokratie«. Es werde nicht leicht, die AfD als stärkste Kraft zu verhindern. Im September
2024 werden die Landtage in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neu gewählt. Die AfD liegt dort in Umfragen deutlich in Führung.
Voßkuhle sieht den Fortbestand der Demokratie in Deutschland als nicht gesichert an. »Es kann durchaus sein, dass sich unsere westliche Demokratie nur als eine kurze Phase in der Geschichte der Menschheit erweist, ähnlich wie die attische Demokratie, und danach wieder die dunkle Zeit des Totalitarismus zurückkehrt«, sagte er: »Wer das nicht möchte, sollte sich für unsere Demokratie engagieren.«
Auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, äußerte sich besorgt über eine Gefährdung der Demokratie. »Ich bin 67 Jahre alt und ich muss sagen, dass ich es vor 15, 20 Jahren fast nicht für denkbar gehalten hätte, dass wir in so eine Lage kommen«, sagte Stetter-Karp dem Portal »domradio.de« in einem am Donnerstag veröffentlichen Interview.
Stetter-Karp wiederholte im Interview mit dem Kölner Bistumssender ihre Position, wonach ein Mandat in der AfD mit einer Mitgliedschaft in katholischen Gremien und Wahlämtern nicht vereinbar ist. Sie sei froh darüber, dass sich leitende Geistliche wie der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, Kardinal Reinhard Marx und der Berliner Erzbischof Heiner Koch dazu im gleichen Sinne geäußert hätten. »Es gibt einzelne Bischöfe, bayerische Bischöfe, die das weichgezeichnet haben«, sagte Stetter-Karp und fügte hinzu: »Das halte ich, offen gesagt, politisch für naiv.« epd