Meinung

Syrien und die verfrühte Freude des Westens über den Sieg der Islamisten

Ingo Way, Chef vom Dienst bei Cicero Online Foto: Antje Berghäuser

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Syrien und die verfrühte Freude des Westens über den Sieg der Islamisten

Ein Gastkommentar von Ingo Way

von Ingo Way  11.12.2024 08:36 Uhr

Groß ist der Jubel über den Fall des Assad-Regimes in Syrien, auch unter den Freunden Israels. Ist doch mit dem Ende der Herrschaft der Assad-Dynastie auch ein Pfeiler der »Achse des Widerstands« weggebrochen, jenem antiisraelischen Bündnis unter Führung des Iran, dem erklärten Todfeind des jüdischen Staates, dem auch die Hisbollah im Libanon, die Hamas sowie die Huthis im Jemen angehören, die Israel seit dem 7. Oktober 2023 von allen Seiten angreifen.

Doch die Freude ist übertrieben optimistisch, um nicht zu sagen sträflich naiv. Assad selbst war vorsichtig genug, Israel nie direkt anzugreifen; von den neuen Machthabern weiß man das nicht so genau. Sie werden angeführt vom islamistischen »Befreiungskomitee Syriens« (Hajat Tahrir al-Scham), das für den Nahost- und Terrorismusexperten Guido Steinberg durchaus mit den Taliban und der Hamas vergleichbar ist.

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Wenn die neuen Machthaber nun verkünden, sie wollten demokratische Wahlen abhalten, die Rechte von Minderheiten respektieren und mit ihren Nachbarn in Frieden leben, dann zählt das ungefähr so viel wie jedes Mal, wenn Islamisten etwas von Frieden, Menschenrechten und Demokratie erzählen, nämlich gar nichts.

Verschlimmerung der Lage

Dass es innenpolitisch nun weniger Terror, Folter und Repression geben wird als unter Assad, ist nicht zu erwarten. Für Frauen, Homosexuelle und Nicht-Sunniten dürfte sich die Lage eher noch verschlimmern.

Wenn man im Westen den Regimewechsel nun begrüßt und bereit ist, den Umstürzlern Glauben zu schenken, ähnelt dass der Freude über den Sturz der Sowjetherrschaft in Afghanistan durch die Mudschaheddin und die Revolution gegen den Schah im Iran – beides im Schicksalsjahr 1979. Ersteres bescherte der Welt al-Qaida und die Taliban, letzteres das Mullah-Regime mit seiner tödlichen Ideologie. Auch der Arabische Frühling hätte lehren können, dass nach Aufständen und Umstürzen in der muslimischen Welt selten etwas Besseres folgt.

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Derlei Naivität kann man sich in Israel nicht leisten. Es kommt nicht von ungefähr, dass die IDF derzeit massive Luftangriffe gegen syrische Militäreinrichtungen fliegt – nicht aus Furcht vor dem Assad-Regime, das es ja nicht mehr gibt, sondern um zu verhindern, dass militärisches Gerät, darunter möglicherweise Massenvernichtungswaffen, in die Hände der syrischen »Befreier« fällt. Außerdem richtet Israel eine Pufferzone nordöstlich der Golanhöhen, in den Regionen südwestlich von Damaskus, ein.

Glückwunsch der Hamas

Und die Hamas beglückwünschte derweil die Syrer zum Erfolg ihrer »Bestrebungen nach Freiheit und Gerechtigkeit«, wie Al Jazeera berichtet. »Wir stehen fest an der Seite des großen syrischen Volkes«, bekräftigte die Terrorgruppe in einer Erklärung, nicht ohne im selben Atemzug noch einmal die »brutale Aggression« Israels gegen Syrien zu verurteilen. Die Hamas hoffe jedenfalls, dass Syrien »seine historische und zentrale Rolle bei der Unterstützung des palästinensischen Volkes« fortsetzen werde.

Auch wenn das neue Syrien mit dem Ausführen dieser historischen Rolle erst einmal abwarten sollte, bis es sich halbwegs konsolidiert hat – für Israel wäre das nicht mehr als eine Atempause. Der Nahe Osten ist für Israel jedenfalls nicht sicherer geworden.

Der Autor ist Chef vom Dienst bei Cicero Online. 

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