Seit wann schützt man Menschen, indem man ihre Veranstaltungen absagt? In Malmö scheint man es zu wissen. Dort wurde das jüdische Filmfestival gestrichen, weil kein einziges Kino bereit war, die Filme zu zeigen. Man verwies auf fehlende Sicherheitsgarantien. Seit über zehn Jahren bringt das Festival jüdisches Leben auf die Leinwand. Übrig blieb nichts außer einer leeren Ankündigung.
Immer wieder dieselben Erklärungen: Sicherheitsbedenken hier, organisatorische Überforderung dort, Schlechtwetterfront überall. Es fehlt nur noch der schlechte Stern am Veranstaltungstag. Es gilt offenbar der unausgesprochene Grundsatz, dass, wer nicht sichtbar ist, auch nicht angegriffen werden kann. So wird aus einer Einladung zur Kultur ein stiller Abgesang auf Teilhabe.
Doch es bleibt nicht beim Kino. In Kraków wurde im Sommer das Abschlußkonzert des jüdischen Kulturfestivals kurzfristig gestrichen, aus Sicherheitsgründen, versteht sich. Und in Sarajevo wurde die Konferenz europäischer Rabbiner gestrichen. Offiziell vom Tagungshotel, inoffiziell unter dem Eindruck politischen Drucks aus dem lokalen Umfeld. Ironischerweise sollte bei dem Treffen über die Situation von Juden in Europa und die Zukunft religiöser Freiheit gesprochen werden.
Nach England dürfen israelische Fans nicht zum Europa-League-Spiel ihrer Mannschaft anreisen, ebenfalls aus Sicherheitsgründen. In Paris sagt man ein Konzert der israelisch-iranischen Sängerin Liraz Charhi erst ab, dann woanders zu. Der Veranstalter entschuldigt sich für die Unruhe, die man im extrem gespaltenen internationalen Kontext nicht aufgrund unterschiedlicher Werte noch weiter befeuern wolle. Man versteht sich offenbar auf vorbeugende Schadensbegrenzung.
Die rote Linie ist eindeutig. Kulturelle Begegnung? Lieber nicht. Sportliches Miteinander? Nur wenn keiner zuschaut. Ein Fußballspiel mit israelischen Fans? Zu riskant. Jüdische Sichtbarkeit? Ein Störfaktor. Ein israelischer Dirigent? Eine musikalische Dissonanz. Eine israelische Flagge? Brandgefährlich. Ein jüdisches Film-Festival? Zu heikel. Was bleibt, ist das Prinzip: Wenn es kompliziert wird, wird Jüdisches abgesagt. Weil es stört. Weil es Unruhe macht. Weil man sonst nicht garantieren kann.
Im Grunde bedeuten all diese Begründungen nur eines: Liebe jüdische Mit-Bürgerinnen und Mitbürger, bitte bleibt zu Hause. Ihr stört das harmonische Stadtbild. Man erklärt das Opfer zur Gefahr und nennt das dann Schutz. Wenn weder Filmfestivals noch Konzerte oder Sportveranstaltungen unter jüdischer Beteiligung möglich sind, bleibt nur noch eine Frage: Für wen gilt hier eigentlich die Sicherheit? Die Antwort liegt auf der Zunge. Für Antisemiten und Antizionisten.
Der Autor coacht Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Kultur. Zuletzt erschien von ihm das Buch »Der Blinde Fleck. Die vererbten Traumata des Krieges – und warum das Schweigen in den Familien jetzt aufbricht« (Heyne Verlag, 2025).