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Wie Leni Riefenstahl ihre eigene Vergangenheit verdrehte

Leni Riefenstahl im Jahr 1939 in Nazi-Deutschland Foto: picture alliance /

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Wie Leni Riefenstahl ihre eigene Vergangenheit verdrehte

In Venedig feiert die Doku »Riefenstahl« Premiere

 30.08.2024 12:04 Uhr

Eine Videoaufnahme aus dem Jahr 1993. Leni Riefenstahl sitzt an einem Tisch, kommentiert stolz filmische Details aus einem ihrer Nazi-Propagandafilme und wippt grinsend im Takt der darin spielenden Marschmusik. Es sind Szenen wie diese in der Doku »Riefenstahl«, die einen erschaudern lassen.

»Riefenstahl« ist ein Film von Andres Veiel. Produziert von Sandra Maischberger, setzt sich das Werk anhand von Riefenstahls Nachlass mit ihrem Verhältnis zum Nazi-Regime auseinander. Veiel und Maischberger hatten als erstes Zugang zu dem Nachlass. Der Film feierte nun beim Filmfestival Venedig Premiere.

Lügen und Manipulation

Das Filmteam lässt das unheimliche und widersprüchliche Bild einer Frau entstehen, deren Priorität es war, sich selbst zu inszenieren. Die dafür log und auf Perspektiven beharrte, die längst historisch widerlegt waren. »Sie war eine großartige Manipulatorin - und sie war Schauspielerin«, sagte Maischberger in Venedig.

Riefenstahl (1902-2003) drehte für Adolf Hitler Filme wie »Triumph des Willens« über den Parteitag der NSDAP 1934 in Nürnberg oder »Olympia« über die während der NS-Zeit in Berlin ausgetragenen Olympischen Spiele. Für letzteren Film gewann Riefenstahl bei den Filmfestspielen in Venedig 1938 einen Preis.

Immer wieder zeigt »Riefenstahl« Szenen, die nahelegen: Riefenstahl hat ihre Tätigkeit für das NS-Regime wohl nie bereut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie als Mitläuferin klassifiziert, sie selbst betonte immer wieder, sie sei unpolitisch gewesen.

Mühevoll aufgebaute Legende

Die Recherchen im Nachlass hätten ein anderes Bild ergeben, sagte Regisseur Veiel. »Wir sind auf den Hinweis eines Interviews des »Daily Express« mit Riefenstahl aus dem Jahr 1934 gestoßen, das eigentliche Interview fehlte«, erzählt er. »Wir haben es uns dann aus dem Archiv der Zeitung kommen lassen. Darin bekennt Riefenstahl, sie habe 1932 Hitlers »Mein Kampf« gelesen und sei schon nach der Lektüre der ersten Seiten eine begeisterte Nationalsozialistin geworden.«

Warum sie das Interview aus ihrem Nachlass entfernte? »So ein Dokument hätte ihre mühevoll aufgebaute Legende einer »Unpolitischen« mit einem Schlag eingerissen«, sagt Veiel. In »Riefenstahl« zeigt er Interview-Ausschnitte ebenso wie private Fotos, aufgenommene private Telefonate oder Zitate aus persönlichen Aufzeichnungen.

Es geht auch um Privates - ihren gewaltvollen Vater, ihre Beziehung zum 40 Jahre jüngeren Horst Kettner, die 1967 begann. An einer Stelle erzählt Riefenstahl, wie sehr Joseph Goebbels sie umworben habe. »Was er alles probiert hat, um mich zu kriegen«, sagt sie. Aber: »Er war ganz und gar nicht mein Typ.« Einmal habe er sie »mit Gewalt haben« wollen.

Riefenstahl betrachtet eigene Vergangenheit unkritisch

Nach dem Krieg arbeitete Riefenstahl als Fotografin, lebte in der Nähe des Starnberger Sees. Ihre eigene Vergangenheit betrachtete sie zumindest öffentlich nicht kritisch. 1993 sagte sie über »Triumph des Willens«: »Friede, Friede. Das ist im Film immer der Fall. Andere politische Motive oder Ziele sind nicht erwähnt.

Es ist nicht von Antisemitismus die Rede, es ist nicht von der Rassenlehre die Rede. Nur von Arbeit und Frieden.« Es genügt ein Blick in das Werk von 1935, um zu wissen, dass das gelogen ist.

Maischberger traf Riefenstahl zu deren 100. Geburtstag zum Interview und hatte danach den Entschluss gefasst, sich näher mit der Filmemacherin zu beschäftigen. Nach der Arbeit im Nachlass ist sie sicher: Riefenstahl sei eine »durch und durch überzeugte Faschistin und Nationalsozialistin« gewesen. So beschrieb die 57-jährige Journalistin es kürzlich im Interview der »Zeit«. »Riefenstahl« kommt am 31. Oktober in die Kinos. dpa

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