Zum zweiten Jahrestag des grausamen Massakers der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 macht eine Ausstellung in Berlin die unsagbaren Schrecken jenes Tages erfahrbar, an dem die Terroristen rund 1200 Menschen ermordeten und 250 Geiseln nahmen. Dennoch transportiert die Schau auch eine Botschaft von Hoffnung. Unter dem Titel October 7, 06:29 AM – The Moment Music Stood Still erinnert sie an den Angriff auf das Nova-Musikfestival – und rückt die Menschen, die vor Ort waren, ins Zentrum.
Die Ausstellung war zuvor schon in anderen Städten zu sehen, unter anderem in Tel Aviv und New York. US-Medien berichteten damals von Protesten vor dem Ausstellungsgebäude.
Ausgebrannte Autos und weitere echte Exponate
Das Nova-Musikfestival mit etwa 3000 Besucherinnen und Besuchern wurde am 7. Oktober 2023 von Terroristen der Hamas angegriffen. Nach Angaben der Ausstellungsmacher wurden dort 411 Menschen getötet, Hunderte verletzt und mehr als 40 in den Gazastreifen verschleppt.
Die Ausstellung im ehemaligen Flughafen Tempelhof ist in drei Teile geteilt, wie Initiatorin und Kuratorin Reut Feingold erklärt. Nachdem man in der Eingangshalle ein Video über die Nova-Gemeinschaft gesehen hat, befindet man sich auf dem nachgebauten Campingplatz mit Zelten, Campingstühlen, ausgebrannten Autos, Toiletten. Alle Exponate seien echte Stücke vom Festivalgelände, erzählt die Kuratorin. Die Besucher seien eingeladen, an allem zu riechen und die Exponate anzufassen oder etwa die Handys, auf denen Videos abgespielt werden, in die Hand zu nehmen.
Daneben gibt es Videos mit Interviews und Augenzeugenberichten, Texttafeln und Bildschirme mit Videoaufnahmen des Tages. Auch Luftschutzbunker und eine Bar sind Teil der Ausstellung. In der Mitte der Halle fühlt man sich wie auf dem Festivalgelände. »Es ist der echte Baldachin mit der echten DJ-Kabine.«
Dahinter beginnt der zweite Teil der Ausstellung. Dieser ist den Toten des Angriffs und den von der Hamas entführten Geiseln gewidmet. Auf beiden Seiten des Raumes stehen zwei große Wände mit Bildern und Texten der Menschen, die auf dem Festival waren. Dazwischen: Tische mit zurückgelassenen Gegenständen der Festivalbesucher. Schuhe, Rucksäcke, Handyhüllen, Kleidungsstücke.
Eltern einer Geisel besuchen die Ausstellung
An einer Wand findet sich das Foto von Alon Ohel. Der 24-Jährige, der auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, wurde in einem Luftschutzbunker in der Nähe des Festivalgeländes von den Hamas als Geisel genommen, erzählen seine Eltern Idit und Yakov. Seitdem befindet er sich in ihrer Gewalt.
Es ist das erste Mal, dass sich die beiden die Ausstellung ansehen. Als sie in Israel gezeigt wurde, wenige Monate nach dem Angriff, sei es emotional zu schwer für sie gewesen, sagen die beiden. Es sei »surrealistisch«, nun hier zu sein. Sie sei froh, dass sie und andere Menschen an den Ort kommen und sich das ansehen können, erzählt Mutter Idit. Zunächst sehe man die schrecklichen Dinge, die geschehen sind. »Und dann, am Ende, sieht man das Licht, man sieht, wie man das durchstehen kann«, sagt Idit.
Vor dem zweiten Jahrestag des Angriffs vom 7. Oktober empfindet sie es als »Schande«, dass immer noch Geiseln in Gaza festgehalten werden. »Ich glaube, die Menschen hören uns zu. Ich wünschte nur, sie würden uns nicht nur trösten, uns zuhören und uns umarmen«, sagt Idit. »Wir brauchen Taten. Wir brauchen Menschen, die handeln. Wir brauchen die Regierung, die handelt und sich aktiver dafür einsetzt, die Geiseln nach Hause zu holen.«
Möglichkeit eines Heilungsprozesses
Der dritte Teil der Ausstellung betrachte die Chance auf Heilung, erläutert die Kuratorin. »Diese Ausstellung handelt auch von den Tagen und Monaten nach dem Anschlag, denn der Heilungsprozess ist Teil des Alltags«, sagt Feingold. Neben Infos zu den Veranstaltern der Ausstellung, der Tribe of Nova Foundation, gibt es einen Raum, in dem es um Aktivitäten wie Klangheilung, Yoga, Malen, Zeichnen geht.
Die 27-jährige Tal Shimony war damals selbst auf dem Festival und hat den Angriff überlebt. Sie habe viele Gefühle, wenn sie an das Musikfestival denke. Neben Trauer denke sie an Liebe, Musik und Glück sowie an Hass auf die Hamas, Dunkelheit und Trauma.
Der Raum, mit dem sie die größte Verbindung habe, sei der »Healing Room« am Ende der Ausstellung, der für sie viel Licht und Liebe repräsentiere. »Ich bin so stolz auf meine Community«, sagt sie. »Wir haben dieses Trauma genommen und es zu Wachstum gemacht, anstatt uns davon unterkriegen zu lassen.«
Angesichts des bevorstehenden Jahrestags des Angriffs sagt sie, dass zwei Jahre vergangen seien und sich nichts für sie geändert habe. Ein Teil in ihr und auch aus der Community befinde sich immer noch in diesem Tag, weil nicht alle ihre Freunde wieder zurück sind.