Literatur

Patricia Highsmith, Israel und die Juden

Sie hasste Juden und bekämpte den Staat Israel: Patricia Highsmith Foto: imago/Leemage

Literatur

Patricia Highsmith, Israel und die Juden

Heute vor 100 Jahren wurde die Meisterin des subtilen Horrors geboren

 19.01.2021 17:21 Uhr

Rund 25 Jahre ist Patricia Highsmith bereits tot, aber noch immer begeistern die Bücher der US-Schriftstellerin Millionen Fans weltweit. Rund drei Dutzend Romane und Erzählungen hat die vielfach preisgekrönte Autorin geschrieben, darunter die Tom-Ripley-Bücher und die lesbische Liebesgeschichte »Carol«. Viele davon sind erfolgreich verfilmt worden, auch von Star-Regisseuren wie Alfred Hitchcock und Wim Wenders.

Highsmith, die heute vor 100 Jahren geboren wurde, galt zeit ihres Lebens als eigensinnig und öffentlichkeitsscheu. Ihre Tagebücher, die diesen Herbst erstmals veröffentlicht werden sollen, könnten möglicherweise bald neue Einblicke in das Leben der Meisterin des subtilen Horrors bieten.

ISRAEL Die Notiz- und Tagebücher dokumentieren dem Züricher Diogenes Verlag zufolge Highsmiths Leben von ihren Jahren als Studentin in New York bis zu ihrem Tod 1995 in der Schweiz. Die 56 Notizbücher, die insgesamt 8000 Seiten umfassen, wurden von ihrer Lektorin Anna von Planta und dem damaligen Verleger Daniel Keel hinter Bettwäsche und Handtüchern versteckt in ihrem Haus im Tessin gefunden.

Bereits die im Jahr 2015 im Diogenes-Verlag veröffentlichte Biografie The Talented Miss Highsmith von Joan Schenkar – ihr Buch beginnt mit den Worten »Sie war nicht nett« – belegte, dass die Schriftstellerin Juden hasste, den Staat Israel fanatisch bekämpfte und ihre Ex-Liebhaber und Ex-Liebhaberinnen mit antisemitischen Schmähungen überzog.

Man muss befürchten, dass die Tagebücher dem Thema »Highsmith und die Juden« noch einige Kapitel hinzufügen werden.

Man darf gespannt sein – oder besser: man muss befürchten –, dass die Tagebücher dem Thema »Highsmith und die Juden« noch einige Kapitel hinzufügen werden. Herausgeberin Anna von Planta versprach jedenfalls vorab im Gespräch mit der »New York Times«, man wolle diese Aspekte keinesfalls aussparen. Vielmehr erhoffe man sich durch die Tagebücher, die Ursprünge von Highsmiths Judenhass weiter erforschen zu können.

BIOGRAFIE Geboren wurde Highsmith 1921 als Mary Patricia Plangman in Forth Worth im US-Bundesstaat Texas. Ihre Kindheit sei eine »kleine Hölle« gewesen, sagte die Autorin später. Die Eltern ließen sich früh scheiden, einige Jahre lebte Highsmith bei einer Großmutter, dann bei Mutter und Stiefvater in New York.

Nach der Schule studierte sie unter anderem Zoologie und Englisch und begann mit dem Schreiben von Kurzgeschichten. Diese schon bekannten Stories sind jetzt im Band »Ladies« neu erschienen, ergänzt um fünf bisher unbekannte Texte - in denen es nicht um Kriminalfälle geht: In einem Frauenkloster wird ein kleiner Junge als Schwester aufgezogen. Ein junges Mädchen kommt mit seinen Eltern nach New York und erlebt den Schock der Riesenstadt. Eine Spinne leidet darunter, dass sie immer nur Fliegen zu fressen kriegt.

Grausiger Höhepunkt: Ein Schneckenforscher, der die kleinen Tiere herzlich liebt, erstickt schließlich in seinem Zimmer, als die von ihm gezüchteten Schnecken den Raum bis in den letzten Winkel füllen. Patricia Highsmith selbst war eine große Schneckenliebhaberin, sie studierte neben Literatur auch Zoologie.

Ihre Kindheit sei eine »kleine Hölle« gewesen, sagte die Autorin.

1950 gelang ihr mit »Zwei Fremde im Zug«, der Geschichte vom fast perfekten Verbrechen, bereits der Durchbruch - und die erste Filmvorlage, die Krimi-Spezialist Alfred Hitchcock schon ein Jahr später umsetzte.

Mit dem Geld für die ersten Filmrechte ging sie nach Europa. Highsmith lebte in Großbritannien und Frankreich, bis sie sich schließlich in das kleine Alpendorf Tegna bei Locarno im Tessin zurückzog. Highsmith mied die Öffentlichkeit, lebte mit Katzen und Schnecken, arbeitete in Haus und Garten, zimmerte Möbel, zeichnete, malte - und verbrachte täglich mehrere Stunden an der Schreibmaschine.

KLISCHEES So entstanden viele Romane, Kurzgeschichten und Erzählungen abseits der gängigen Krimi-Klischees. Protagonist Tom Ripley etwa wurde als gewissenloser und doch sympathischer Mörder und Lebenskünstler zu einer der großen Figuren der modernen Weltliteratur. »Gerechtigkeit und Moral langweilen mich«, sagte Highsmith einmal.

Die Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft, bis heute werden immer neue Verfilmungen geplant. Highsmiths literarischer Nachlass ist im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern. Die Weltrechte hat der Diogenes Verlag.

»Beim Lesen ihrer Bücher, so verzweifelt und ohne Hoffnung sie auch sein mögen, hat man das Gefühl, im Schutz einer großen Schriftstellerin zu sein.«

Peter Handke

Wenige Wochen nach der Vollendung ihres letzten Romans »Small g - eine Sommeridylle« starb Highsmith am 4. Februar 1995 an den Folgen einer Leukämie-Erkrankung und wurde in ihrem kleinen Alpendorf beigesetzt.

»Beim Lesen ihrer Bücher, so verzweifelt und ohne Hoffnung sie auch sein mögen«, sagte Autorenkollege Peter Handke einmal, »hat man das Gefühl, im Schutz einer großen Schriftstellerin zu sein«.

Und selbst Menschen wie der früh verstorbene, jetzt wiederentdeckte Autor Jörg Fauser, ein Fan harter Krimis, zeigte sich fasziniert von Highsmith. Wenn auch wider Willen: »Nun - auch wem die Dame Highsmith mit ihren versnobten Kunstfiguren aus dem Jet-Set-Milieu, mit ihren gelangweilten Mittelklasse-Mördern im Nobel-Viereck zwischen Venedig, Tunis, London und New York nicht zusagt: Man wird kaum behaupten können, dass diese Schriftstellerin ihr Handwerk nicht aus dem Effeff beherrscht. Ohne Zweifel ist Patricia Highsmith eine, wenn nicht die beste der gegenwärtigen Thriller-Autorinnen.« ja/dpa/epd

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025