Schicksale zwischen Gestern und Morgen, Menschen zwischen Grauen und Hoffen: Die niederländische Autorin und Regisseurin Saskia Diesing blickt in ihrem Spielfilm »Der verlorene Zug« auf die Zeit kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Nazis sind besiegt, aber der Krieg ist offiziell noch nicht vorbei. Da strandet im April 1945 ein Zug mit jüdischen Häftlingen aus einem Konzentrationslager im Brandenburgischen. Es kommt zu einer schicksalshaften Begegnung dreier grundverschiedener Frauen.
Zunächst treffen die aus dem Todeszug taumelnde 29-jährige Jüdin Simone (Hanna van Vliet) und die 21-jährige russische Scharfschützin Vera (Eugénie Anselin) von der Roten Armee aufeinander. Der Hunger bringt sie zusammen. In einem nahen Dorf versuchen sie, Nahrung zu finden. Dabei erschießen sie eine Metzgersfrau. Deren 17-jährige von der Ideologie der Nazis geprägte Tochter Winnie (Anna Bachmann) ist schockiert und schließt sich ihnen doch an. Gemeinsam versuchen sie schließlich, neue Lebenswege zu finden.
Recherchiert Den Zug gab es tatsächlich. Auch die das Geschehen entscheidend beeinflussende Typhus-Epidemie in Zug und Dorf hat es wirklich gegeben. Saskia Diesing hat genau recherchiert. Ihren Zugang wesentlich geprägt hat aber Persönliches: Einer ihrer Onkel überlebte als Baby die Irrfahrt und die Typhus-Infektion. Die Frauen der Filmerzählung sind jedoch frei erfunden.
Saskia Diesing zeigt die drei nicht als Heldinnen. Sie beleuchtet zunächst das alles bestimmende Misstrauen, die Ängste, beobachtet dann feinsinnig, wie dennoch Nähe entsteht. Vor allem das beeindruckt: Mit emotionaler Kraft wird gezeigt, wie Menschen, die einander zunächst fremd, wenn nicht gar feindlich gegenüberstehen, zu einem Miteinander finden können. »Der verlorene Zug« wird schließlich zu einem weit über die erzählte Geschichte weisenden Symbol für die Schönheit und Stärke weiblicher Solidarität. dpa