Sehen!

Inge Meysel

Sie galt als »Fernsehmutter der Nation«. Dabei sah sich die kinderlose Inge Meysel selbst gar nicht als mütterlichen Typ. Erst spät wurde die Schauspielerin, die am Freitag, den 6. April, um 19.15 Uhr in der ARD-Reihe »Legenden« porträtiert wird, öffentlich als streitbare Feministin wahrgenommen. 1978 war sie mit Alice Schwarzer Klägerin im »Sexismus-Prozess« gegen den »Stern«. Sie ging gegen den Abtreibungsparagrafen 218 auf die Straße, setzte sich ein für den Kampf gegen Aids und für Sterbehilfe. Sie nahm kein Blatt vor den Mund, auch wenn sie dabei andere vor den Kopf stieß.

»nichtarisch« Das sei eine Folge der Nazizeit, hat Inge Meysel selbst erklärt. Ihre Theaterkarriere hatte gerade begonnen, da kam das Berufsverbot. Denn nach den Rassegesetzen der Nazis war die Tochter eines jüdischen Vaters und einer dänischen Mutter »nichtarisch«.

Viele Kollegen hatten sich deshalb bereits 1933 geweigert, mit ihr zu spielen; ihren Lebenspartner, den Schauspieler Helmut Rudolph, durfte sie nicht heiraten, musste sogar die gemeinsame Wohnung räumen. »So habe ich eine Abwehr in mir hochgezüchtet, damit mich niemand mehr verletzen kann«, sagte sie später über sich.

Nach dem Krieg heiratete Inge Meysel den neun Jahre jüngeren Regisseur John Olden, der sie zum Fernsehen brachte. In den 60er-Jahren spielte sie die Mutter in Die Unverbesserlichen, einer Serie über die kleinbürgerliche Berliner Familie Scholz. Damit begann eine Karriere, die Inge Meysel zur beliebtesten deutschen Volksschauspielerin machte.

Neben vielen Theaterstücken und Fernsehserien spielte sie in Filmen mit, von Rosen für den Staatsanwalt (1959) bis zuletzt 2001, da war sie 91 Jahre alt, Die Liebenden vom Alexanderplatz. Noch in ihrem Todesjahr 2004 war sie im Polizeiruf 110 zu sehen.

Der Film über Inge Meysel zeichnet das Porträt einer ungewöhnlichen Frau, die in ihrem Leben konsequent moralisch handelte. Zu Wort kommen enge Vertraute wie Tagesschausprecher Wilhelm Wieben, die Schauspielerin Monika Peitsch und die Politikerin Angela Marquardt, heute SPD, früher PDS. ja

»Legenden: Inge Meysel«. ARD, Freitag, 6. April, 19.15 Uhr

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Rache

»Trigger-Thema« für Juden

Ein Filmseminar der Jüdischen Akademie untersuchte das Thema Vergeltung als kulturelle Inszenierung

von Raquel Erdtmann  01.12.2025

Wuppertal

Schmidt-Rottluff-Gemälde bleibt in Von der Heydt-Museum

»Zwei Frauen (Frauen im Grünen)« von Karl Schmidt-Rottluff kann im Von der Heydt Museum in Wuppertal bleiben. Nach Rückgabe an die Erbin erwarb die Stadt das Bild von ihr. Vorausgegangen waren intensive Recherchen zur Herkunft

 01.12.2025

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 30.11.2025 Aktualisiert

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025