Vielleicht ist es kein Zufall, dass sich ausgerechnet Karl Wolffsohn dazu entschied, in den 20er-Jahren mitten im Berliner Arbeiterbezirk Wedding die »Gartenstadt Atlantic« zu errichten. In der von dem Architekten Rudolf Fränkel geplanten grünen Wohnanlage konnten auch Menschen mit mittlerem Einkommen ein neues Zuhause finden. Und Träume vom besseren Leben waren schließlich das Geschäft des Verlegers und Archivars, dessen »heißes Herz« nur für das schlug, was im Leben wirklich wichtig ist – die Filmkunst.
Der 1881 in Polen geborene Karl Wolffsohn gab seit 1910 die »Lichtbildbühne« (LBB) heraus und machte das Blatt schnell zum wichtigen Sprachrohr für alle jene, die den Film als eine der Bühne und der Malerei ebenbürtige Kunstform betrachteten. Selbst Kinos zu besitzen, ist für den Herausgeber einer kritischen Filmzeitschrift eine heikle Angelegenheit, doch der Zelluloid-Liebhaber Wolffsohn konnte der Versuchung nicht widerstehen und pachtete eine Reihe großer Lichtspielhäuser.
NS-Zeit Ab 1933 indes wurde Karl Wolffsohn Schritt für Schritt alles geraubt, was er sich aufgebaut hatte. Schon ein Jahr später war ihm nur noch die Berliner »Lichtburg« geblieben. Zwar konnte er sich zunächst unerkannt über Umwege die Aktien der Gartenstadt sichern, doch im August 1938 wurde Wolffsohn von der Gestapo verhaftet.
Erst im Februar 1939 wurde er aus der Haft entlassen und konnte sich einer neuerlichen Verhaftung nur dadurch entziehen, dass er mit seiner Ehefrau nach Palästina floh, wo bereits die Söhne Max und Willi die Eltern erwarteten. Dort lernte später Michael Wolffsohns Vater Max seine Frau Thea Saalheimer kennen – 1947 wurde ihr Sohn Michael geboren.
Genau 70 Jahre später stellt der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn nun am heutigen Montag seine Autobiografie im Gespräch mit der Schriftstellerin Julia Franck im Jüdischen Museum Berlin vor und erzählt von Deutschjüdischen Glückskindern. Eine Weltgeschichte meiner Familie, wie Wolffsohn das Buch betitelt.
familiengeschichte Darin taucht er in die beeindruckende wie wechselvolle Geschichte seiner Familie ein, die in ihrem weit verzweigten Mikrokosmos jüdische und Weltgeschichte widerspiegelt. Doch Wolffsohns Buch führt ihn auch zu grundsätzlichen Fragen wie nach der Zukunft des Judentums.
Durfte man überhaupt aus Israel zurückkehren? Konnte man sich mit Deutschland versöhnen und durfte man ein deutschjüdischer Patriot sein, wie Michael Wolffsohn sich bezeichnet? Wie war sein eigener Werdegang als Wissenschaftler und Publizist, der mit seinen radikalen Thesen stets provozierte und auch für das jüdische Establishment lange als Enfant terrible galt? All diese Fragen finden sich in Michael Wolffsohns Familiengeschichte.
Ort: Jüdisches Museum
Beginn: 19.30 Uhr
Gespräch: Michael Wolffsohn und Julia Franck
Moderation: Rachel Salamander
Eintritt: 10 Euro/ermäßigt 7 Euro