Sehen

»Die Irrfahrt der St. Louis«

Es war eine der dramatischsten unter all den ungezählten Rettungsgeschichten und Flüchtlingsschicksalen, die die Naziherrschaft hervorgebracht hat – die Irrfahrt der »St. Louis«. 937 jüdische Passagiere hatten es im Mai 1939 an Bord des Hapag-Dampfers St. Louis mit Ziel Havanna/Kuba geschafft und so vermeintlich eine der allerletzten Chancen genutzt, den Nazis zu entkommen.

Das zumindest dachten die Passagiere, als es am 13. Mai in Hamburg hieß: Leinen los! Doch was folgte, war eine einmonatige Odyssee, die das Schiff zwei Mal über den Atlantik führte. Denn sowohl Kuba als auch die US-Regierung weigerten sich, die St. Louis anlegen zu lassen. Lediglich 29 Passagiere durften das Schiff in Havanna verlassen. Für Kapitän Gustav Schröder, selbst Mitglied der NSDAP, wurde die Rettung der Passagiere ebenfalls zum lebensbedrohlichen Szenario.

Passagiere Knapp 79 Jahre nach der Irrfahrt des Schiffes – das nur aufgrund des Mutes von Gustav Schröder letztlich im belgischen Antwerpen anlegen durfte, was 873 Passagieren das Leben rettete – hat der Journalist Manfred Uhlig der St. Louis und ihrem Kapitän nun ein filmisches Denkmal gesetzt.

Er ist der Geschichte schon seit einigen Jahren auf der Spur, seit Schröders Großneffe, der dessen Haus geerbt hatte, auf dem Dachboden in einer Seekiste das Vermächtnis seines Großonkels entdeckte – jede Menge Fotos und das Originalma–nuskript von Schröders Erinnerungen. Uhlig machte sich auf die Suche nach Überlebenden des Dramas – zwölf sind noch bekannt. Fünf von ihnen konnte er tatsächlich vor die Kamera holen, fünf Einzelschicksale, die das kollektive Grauen jener Tage anschaulich und begreifbar machen.

Miami Beach Einer von ihnen, Herbert Karliner – so absurd ist das Leben zuweilen –, lebt heute in Sichtweite der Stelle, an der die St. Louis seinerzeit vor Miami Beach auf Reede lag, das rettende Ufer zum Greifen nah. Zum Greifen nah lässt Uhlig in O-Tönen der Überlebenden und in sachlich-schnörkelloser Schilderung auch die Schicksalsposse erscheinen, die Hunderten von Menschen schließlich das Leben rettete, weil sich einer nicht in das scheinbar Unvermeidliche fügen wollte.

Gustav Schröder war ein Vorbild für Zivilcourage. Man kann dieser Tage gar nicht genug an ihn erinnern. Uhligs Film ist ein weiterer wichtiger Stein im großen Mosaik gegen das Vergessen.

»Die Irrfahrt der St. Louis«. Mittwoch, 24. Januar, 21 Uhr, im NDR

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025