Glosse

Der Rest der Welt

Am Landwehrkanal in Berlin Foto: picture alliance / Global Travel Images

Lass uns doch mal was völlig Neues versuchen, und zwar etwas, das total crazy klingt – so oder ganz ähnlich muss es in Donald Trumps Kopf vorgegangen sein, als er vor einigen Tagen die Welt mit seiner Idee überraschte, dass die USA den Gazastreifen übernehmen sollten, um den Küstenabschnitt wiederaufzubauen und in eine »Riviera des Nahen Ostens« umzuwandeln.

Wunderbar, dachte ich mir, das klingt ja großartig. Und wenn man schon dabei ist, könnte Trump ja auch Neukölln gleich mit dazu übernehmen, um die Sonnenallee, auch bekannt als »Gazastreifen von Berlin«, in eine »Riviera am Landwehrkanal« aufzuhübschen. Nötig hätte der Bezirk eine Generalüberholung an einigen Stellen gewiss, unregierbar scheint er streckenweise ebenfalls schon lange.

Ob er ein »Höllenloch« ist, wie Trump den Gazastreifen nannte, darüber ließe sich streiten. Aber auch die Berliner Politik hat keine Konzepte für den richtigen Umgang mit dem problematischen Bezirk parat. Lieber spricht man Warnungen aus. Juden oder queere Menschen sollten solche Gegenden besser meiden, heißt es dann. Vielleicht kann es besser werden, wenn die USA Neukölln übernehmen, so meine Überlegungen, als ich von Trumps Idee hörte. Schließlich sind solche »Out of the Box«-Ansätze wie der US-Präsident sie alle paar Tage raushaut, erst einmal nichts grundsätzlich Falsches. Die alte Idee von der Zweistaatenlösung ist ohnehin längst mausetot.

Was an Gebäuden noch steht, soll plattgemacht und dann neu errichtet werden. Auch das kennt man ja ein wenig aus Neukölln

Sie scheiterte an der Tatsache, dass die Hamas erst ihre Selbstmordattentäter losschickte und dann den Gazastreifen in eine Art Flugzeugträger Teherans umfunktionierte. Und der ist jetzt außer Betrieb. Nun wollen Trump und Steve Witkoff, sein Sonderbeauftragter für den Nahen Osten, an die Sache herangehen wie die Immobilienmogule, die sie nun einmal sind. Ihre Vorstellungen von einer Nachkriegsordnung im Gazastreifen lauten: knallharte »Entmietung«, sprich Rauswurf all derjenigen, die nicht in ihr Schöner-Wohnen-Konzept passen. Was an Gebäuden noch steht, soll plattgemacht und dann neu errichtet werden. Auch das kennt man ja ein wenig aus Neukölln, wo Immobilienhaie ganze Häuser »entmieten«, teuer sanieren und so die Menschen aus ihrem Kiez vertreiben.

Pläne wie der von Trump verletzen alle zivilisatorischen Standards. Zugleich zeigt sich eine weitere dunkle Seite: Nicht selten profitieren von solchen finsteren Immobiliendeals genau diejenigen, die eher ein Teil des Problems sind – im Fall Neukölln der eine oder andere arabische Großclan. In der »Riviera des Nahen Ostens« wäre das wohl kaum anders, mafiöse Strukturen würden gegebenenfalls begünstigt. Trotzdem hat die Idee von der »Riviera am Landwehrkanal« ihren Reiz. Sie wäre ein echter »Out of the Box«-Ansatz, der wachrüttelt, weil erst einmal alle reflexartig ganz furchtbar entsetzt sind und »Skandal!« brüllen.

Wenn sich die Aufregung im politischen Hühnerstall wieder gelegt hat, macht man sich vielleicht endlich mal ein paar Gedanken darüber, wie etwas wirklich anders laufen kann. Außerdem hätte so ein Sternenbanner auf der Sonnenallee deutlich mehr Glamour als die omnipräsente Palästinenserflagge.

Berlin

Mut im Angesicht des Grauens: »Gerechte unter den Völkern« im Porträt

Das Buch sei »eine Lektion, die uns lehrt, dass es selbst in den dunkelsten Zeiten Menschen gab, die das Gute dem Bösen vorzogen«, heißt es im Vorwort

 17.09.2025

Israel

»The Sea« erhält wichtigsten israelischen Filmpreis

In Reaktion auf die Prämierung des Spielfilms über einen palästinensischen Jungen strich das Kulturministerium das Budget für künftige »Ophir«-Verleihungen

von Ayala Goldmann  17.09.2025

Berlin

»Stärker als die Angst ist das menschliche Herz«

Die Claims Conference präsentiert in einem Bildband 36 Männer und Frauen, die während der Schoa ihr Leben riskierten, um Juden zu retten

von Detlef David Kauschke  17.09.2025

Auszeichnung

Theodor-Wolff-Preis an Journalisten vergeben

Der Theodor-Wolff-Preis erinnert an den langjährigen Chefredakteur des »Berliner Tageblatts«, Theodor Wolff (1868-1943)

 17.09.2025

Los Angeles

Barbra Streisand über Dreh mit Robert Redford: »Pure Freude«

Mit dem Klassiker »The Way We Were« (»So wie wir waren«) brachen die beiden Stars in den 70er-Jahren Millionen Herzen. Nach dem Tod von Redford blickt Hollywood-Ikone Streisand zurück auf den Dreh

von Lukas Dubro  17.09.2025

Kritik

Toni Krahl hat »kein Verständnis« für israelfeindliche Demonstrationen

Was in der Region um Israel passiere, sei ein Drama, das sich über Jahrzehnte entwickelt habe, sagte Krahl

 17.09.2025

Berlin

Für Toleranz, Demokratie: Margot Friedländer Preis vergeben

Es ist die erste Preisverleihung nach dem Tod der Stifterin. Ausgezeichnet wird der Einsatz für die Ideale der im Frühjahr gestorbenen Holocaust-Überlebenden

 17.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 16.09.2025

Eurovision Song Contest

Streit um Israel: ESC könnte wichtigen Geldgeber verlieren

RTVE ist einer der fünf größten Geldgeber des Eurovision Song Contest. Umso schwerer wiegt der Beschluss, den der spanische Sender verkündet

 16.09.2025