Glosse

Käsebrot statt Kantine: Ab in die Rente!

Heide Sobotka sagt Tschüss – nach 28 Jahren Jüdische Allgemeine. Foto: Gregor Zielke

Glosse

Käsebrot statt Kantine: Ab in die Rente!

Mit 64 Jahren, da fängt das Leben an: Unsere langjährige Kollegin Heide Sobotka verabschiedet sich aus der Redaktion

von Heide Sobotka  08.08.2022 17:12 Uhr

Ich sage goodbye, nach 28 Jahren Jüdische Allgemeine. Pardon, es fing ja 1994 mit der Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung an. Ein ganzes Menschenalter ist das her, meine junge Kollegin kam drei Wochen nach meinem ersten Arbeitstag bei der AJW auf die Welt und entwirft heute die Anzeigen.

Eine lange, schöne und manchmal stressige Zeit, beginnend in einem Einfamilien­häuschen in Bad Godesberg, endend als Untermieter im Haus des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin.

Fahnen Es begann mit vier Redakteurskollegen und eineinhalb Sekretärinnen, ups – wie viele sind es heute? Gedruckt haben wir im Bleisatz und faxten Korrekturfahnen zwischen Düsseldorf und Bonn hin und her.

Ich erinnere mich an zwei Käsebrote, die mir die Gemeindevorsitzende aufgehoben hat, weil die Kantine längst geschlossen hatte, als ich von Berlin kurzfristig ins Oldenburgische Land fuhr. Eine Kollegin fiel aus, und die Zeitung wollte das Pessachseminar journalistisch nicht unbegleitet lassen.

Ich nahm an langen Synagogenführungen und kurzen Ansprachen zwischen Schwerin und München, Bonn und Weimar teil. Habe bei der Batmizwa in Bonn Bonbons von der Empore geworfen und in Dresden eine Sukka verschönert, angehende Rabbiner und Kantoren in Oldenburg, Braunschweig, Leipzig, Breslau und Erfurt bei ihrer Smicha oder Investitur begleitet. Habe leider auch einige liebe Menschen beerdigen müssen.

Reservoir Ich stritt mich mit Autoren und freute mich gemeinsam mit ihnen über tolle Beiträge. War verzweifelt, wenn etwas fehlte, und glücklich, wenn mir Kollegen ganz schnell noch einen Artikel aus ihrem Reservoir überließen.

Ich denke an lange, lange Samstagabende und -nächte vor der Ratsversammlung in Düsseldorf, München und Frankfurt zurück. An Dauerläufe an Rhein, Elbe und Isar, um den Kopf wieder freizubekommen für die Sitzung am folgenden Morgen.

Ich schlief in noblen Hotels bei Gemeindetagen und denke an unruhige Nächte in Bad Sobernheim, wenn die Rabbinerfamilie, die erst nach Schabbat losgefahren war, mitten in der Nacht eintraf.

vertrauen Wenn ich es recht überlege: Ja, es war eine sehr bereichernde Zeit. Ich habe sehr viel gelernt, durfte viele erstaunliche und beeindruckende Menschen kennenlernen. Vielen Dank dafür. Sie/Euch Gemeindevorsitzende und Rabbiner hätte ich wahrscheinlich nicht getroffen, hätte nicht Paul Spiegel sel. A. Vertrauen gehabt, mich einzustellen.

Danke! Ohne Sie und Euch und meine Journalistenkollegen wäre mein Leben nicht so geworden, wie es war. Schön.
Ich sage: Goodbye, servus, adieu. Und bin mal fürs Erste weg, auf der Insel im Nordosten. Und tschüss.

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  17.11.2025

TV-Tipp

»Unser jüdischer James Bond«

Die Arte-Doku »Der Jahrhundert-Spion« erzählt die schillernde Lebensgeschichte des Ex-CIA-Agenten Peter Sichel, der seinerzeit den Ausbruch des Kalten Kriegs beschleunigte

von Manfred Riepe  17.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  17.11.2025

Miss-Universe-Show

Miss Israel erhält Todesdrohungen nach angeblichem Seitenblick

Auch prominente Israelis sind immer öfter mit Judenhass konfrontiert. Diesmal trifft es Melanie Shiraz in Thailand

 17.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  17.11.2025

Jubiläum

Weltliteratur aus dem Exil: Vor 125 Jahren wurde Anna Seghers geboren

Ihre Romane über den Nationalsozialismus machten Anna Seghers weltberühmt. In ihrer westdeutschen Heimat galt die Schriftstellerin aus Mainz jedoch lange Zeit fast als Unperson, denn nach 1945 hatte sie sich bewusst für den Osten entschieden

von Karsten Packeiser  17.11.2025

Aufgegabelt

Noahs Eintopf

Rezepte und Leckeres

 16.11.2025

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025

Kino

Zwischen »Oceans Eleven« und Houdini-Inszenierung

»Die Unfassbaren 3« von Ruben Fleischer ist eine rasante wie präzise choreografierte filmische Zaubershow

von Chris Schinke  13.11.2025