Finale

Der Rest der Welt

Mit dem einen Auge in der Konferenz, mit dem anderen auf Rezeptsuche. Foto: Getty Images

Meine Corona-Ferien könnten so entspannt sein. Wenn, ja, wenn da nicht diese nervige Büro-Schaltkonferenz wäre. Jeden Morgen Punkt neun. Anfangs war das alles noch relativ entspannt und Lowtech. Jeden Morgen rief der Chef via WhatsApp an und schaltete dann alle Kollegen zu einem Office-Plausch zusammen.

Mute Das konnte schon mal eine Stunde oder so dauern, aber ich war ja währenddessen gut beschäftigt: Für ein kurzes Bauch-weg-Fitnesstraining lag ich mal eben flach, das Telefon – auf »Mute« geschaltet – neben mir auf der Fitnessmatte. Auch konnte ich Blumen gießen, frühstücken oder in der Hängematte auf dem Balkon chillen: Telefon, Chef und Kollegen waren stets mit von der Partie.

Und dann, vor ein paar Wochen, fand mein Chef, dass diese Schalten langsam doch etwas zu entspannt gerieten, und beschloss, das Ganze mit einem Tick Büro-terror zu würzen. Seitdem werde ich per Skype-Konferenz jeden Tag Schlag neun von den verquollenen Gesichtern meiner Kollegen begrüßt.

Heimkino Das war zu Beginn wie eine Art bizarres Heimkino: Im Hintergrund bei der jungen Kollegin stapelten sich die Pampers-Boxen, ständig wurden entweder plärrende Kleinkinder oder ein hungriger Säugling ins Bild hinein- und wieder herausgereicht. Der andere Kollege, wie immer bierernst, präsentiert sich vor seiner Bücherwand (Mein Segelschein in fünf Tagen, Rundgang durch die Uffizien, Leichte Küche bei Magenleiden). Bei meinem Chef, der jeden Tag in einem andersfarbigen Unterhemd vor dem Bildschirm sitzt, erscheint alle paar Minuten ein Arm auf dem Bildschirm und serviert Leckereien, Gebäck, Kaffee und Tee: Der hat’s gut!

Ich meinerseits muss alle paar Minuten auf »Mute« schalten, damit ich die Kids unbemerkt anschreien kann. Habe inzwischen meine Technik perfektioniert und kann Terror im Wohnzimmer verbreiten, ohne die Mundwinkel zu bewegen. Abgesehen davon gehen diese Schaltkonferenzen quälend langsam vonstatten. Das zieht und zieht sich. Gleichzeitig beobachtet der Chef mich via Kamera mit Argusaugen, um zu checken, ob ich einer unerlaubten Nebentätigkeit nachgehe.

Technik Ich habe inzwischen herausgefunden, wie ich währenddessen heimlich Rezepte fürs Mittagessen googeln kann. Hauptsache, den Blick immer schön auf die Kamera richten und interessiert nicken, die Augen während des Surfens nicht von links nach rechts wandern lassen, sondern immer in die Mitte der Website starren und aus dem Augenwinkel heraus lesen. Das ist eine Technik, die ich im Moment noch weiter ausbaue.

Auch cool: Kurz vor der Schalte eine hauchdünne Schicht Vaseline auf die Kamera aufbringen, das verleiht dem Bild einen gewissen verträumten Weichzeichner-Effekt, sodass ich eben mal die neueste Minirock-Kollektion online checken kann, ohne aufzufliegen. Auch habe ich inzwischen gelernt, Nagellack blind aufzutragen und dabei nicht auf die Tastatur zu kleckern. So, die Schalte ist gerade vorbei! Endlich.

Ich bin dann mal weg! Wir können ja nochmal mailen oder chatten, wenn Sie mögen: am besten morgen früh um neun!

Leo Baeck Institut

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