Finale

Der Rest der Welt

Verwöhn-Weekend mit Bergen von Omis selbst gebackenen Keksen und selbst gerollten Sushi – die Großeltern sind doch die Besten. Foto: Thinkstock

Es ist ein Uhr früh. Ich nippe an meiner Tasse Kamillentee, die Hände zittern. Links neben mir eine leere Schachtel Oreo-Kekse und eine Packung Baldrianpillen extra forte. Ich bin ein nervliches Wrack.

Meine Tochter Tami ist wieder mal auf Tour. Auf irgendeiner wilden Party in der Stadt. DJs, Tänzerinnen, eine Schokoladenfontäne, Live-Cooking mit echt japanischen Sushi-Chefs – alles dabei. Habe ich schon erwähnt, dass Tami elf ist? Sie ist die Jüngste in der Klasse. Alle anderen werden zwölf und schmeißen die dekadentesten Batmizwa-Partys, die ich je gesehen habe. Ping! Ich schrecke hoch und verschütte heißen Kamillentee auf mein Handy.

Whatsapp Ein WhatsApp-Foto von Tami und ihren Girlies kam gerade an, wie sie auf den Tischen tanzen und glücklich in ihren Partykleidern posen. Ich schicke alle Fotos gleich weiter zu meiner Familie – zur moralischen Unterstützung. Ping! Da kommt die Antwort.

Ist Tami immer noch nicht zurück?, fragt meine Tante. Ping! OMG, ist das Make-up auf ihrem Gesicht?, schreibt meine Mutter. Make-up?! Ich verschütte vor Schreck gleich noch etwas Kamillentee. Es folgen weitere Fotos von einem gigantischen beleuchteten Make-up-Tisch nebst einer Stylistin, die allen Mädchen Glitzer-Make-up verpasst. Eine Stylistin ...! Ein DJ ...! Sushi ...! Tanzsaal ...! Schokoladenfontäne ...!

Vor meinen Augen beginnen Dollarnoten zu tanzen. Woher haben all diese Leute eigentlich so viel Geld, und warum habe ich keines? Neulich habe ich überschlagen, welche Party mit meinem Budget machbar wäre. Antwort: Batmizwa-Feier in einer Konditorei. Oder: Batmizwa-Bowlingabend. Oder vielleicht ins Kino? Oder in die Pizzeria? Tami bringt mich um, wenn sie herausfindet, dass ich noch keine dekadente Party für sie geplant habe.

Batmizwa Da klingelt es an der Tür. Mein Töchterchen stolpert herein, leicht ramponiert, aber glücklich. Wie nach jeder Batmizwa schüttet sie mir die Give-aways in den Schoß, die sie für mich eingeheimst hat. Diesmal sind es goldene M&M’s mit dem aufgedruckten Konterfei des Batmizwa-Girls. Dekadent! Tami schleppt sich ins Bett und schläft sofort ein.

Am nächsten Morgen beim Frühstück wappne ich mich erst einmal mit einem starken Espresso. Dann frage ich zaghaft nach, was meine Tochter sich denn zu ihrer Batmizwa vorgestellt hat. Tami legt den Löffel neben die Schüssel mit den regenbogenfarbenen Unicorn-Flakes und schaut mich an. »Ich wollte das schon seit Langem mit dir besprechen«, entgegnet sie. Und dann schildert sie mir ihre Vorstellung von einer absoluten Traum-Party!

Wir mieten einen Kombi, packen Tamis beste Freundinnen rein, und ab geht’s nach Stuttgart – zu Omi und Opi! Dann folgt ein Verwöhn-Weekend mit Bergen von Omis selbst gebackenen Keksen und selbst gerollten Sushi, gefolgt von ein bisschen Shopping, dann Kino, auf einen Sprung in den nächsten Starbucks und zum Abschluss in einen Freizeitpark. »Meinst du, Omi ist einverstanden?«, fragt Tami zaghaft. Ich fühle, wie sich ein Grinsen auf meinem Gesicht breitmacht.

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Hommage

Pionier des Erinnerns

Der Filmemacher und Journalist Claude Lanzmann wäre diese Woche 100 Jahre alt geworden. Unser Autor ist ihm mehrmals persönlich begegnet

von Vincent von Wroblewsky  26.11.2025

Zahl der Woche

6500 Rabbiner

Funfacts & Wissenswertes

 26.11.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Coole Nichten, coole Tanten

von Katrin Richter  26.11.2025

Kulturkolumne

Lob der Anwesenheit

Lahav Shani und Jason Stanley: Warum unser Autor nicht nur in der Westend-Synagoge vor Ort ist

von Eugen El  26.11.2025

Film

Shira Haas ist Teil der Netflix-Serie »The Boys from Brazil«

Die israelische Schauspielerin ist aus »Shtisel« und »Unorthodox« bekannt

 26.11.2025

Zwischenruf

Was bleibt von uns?

Was bleibt eigentlich von uns, wenn Apple mal wieder ein Update schickt, das alles löscht? Jede Höhlenmalerei erzählt mehr als eine nicht mehr lesbare Floppy Disk

von Sophie Albers Ben Chamo  25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025