Literatur

Der Krieg und die Frauen

Die Handlung fließt dahin, folgt einem unregelmäßigen Muster. Foto: Berlin Verlag

Wir dürfen staunen, staunen über einen Autor, der mit 88 Jahren nach 35-jähriger Pause nun seinen sechsten Roman veröffentlicht hat – ein Meisterwerk kraftvoller Erzählkunst und ein ästhetisches Vergnügen ersten Ranges.

James Salter, der als James Horowitz geboren wurde und in New York aufgewachsen ist, stellt mit der Figur des Philip Bowman einen Weltkriegsveteranen in den Mittelpunkt des Romangeschehens, der noch die letzte Seeschlacht gegen die Japaner um Okinawa erlebt hat und sich später als Verlagslektor durchs Leben kämpft.

Inferno Die ersten 13 Seiten des Romans haben es in sich. Salter schildert die Erlebnisse des Navy-Lieutenants Bowman bei den Kämpfen im Pazifik in einer seit Hemingway nicht mehr beschriebenen Drastik. Es sind 13 Seiten über den Krieg, die die Kampferfahrung als inneres Erlebnis auf beiden Seiten beschreibt und jede Form von humaner Zivilität ausklammert. Doch Bowman kann dem Inferno mit viel Glück entkommen; innerlich zerstört, bindungsunfähig, ein Mann, der von einer Frau zur anderen geht, Momente der Intensität nur im Sex findet.

Salters Figuren geraten in einen Strudel von Treulosigkeit, Betrug und Verrat. Eine Ehe nach der anderen geht kaputt. Das Lebensgefühl der Nachkriegszeit im sittenstrengen Amerika speist sich aus einem Fatalismus, der sich nur für Genuss und Erotik interessiert. Die Erfahrung von Krieg und Zerstörung dominiert den biografischen Bruch. Bowman wird von seiner zweiten Frau Christine belogen und betrogen und rächt sich dafür, indem er mit Christines Tochter aus deren erster Ehe ins Bett geht. Es sind solche Erzählstücke, die dem dramatischen Geschehen einen filmähnlichen Ausdruck geben.

Die Handlung fließt dahin, folgt einem unregelmäßigen Muster. Alles Erwartbare verschwindet. So begegnet uns Bowman als Darsteller einer Erzählfigur, deren Lebensdramaturgie sich im Krieg erschöpft hat. Was danach kommt, berührt den Protagonisten nicht mehr. Der ehemalige Kampfflieger Salter hat dem Roman ein Motto vorangestellt, das die Erinnerung zur Erlösung macht: »Irgendwann wird einem klar, dass alles ein Traum ist und nur geschriebene Dinge die Möglichkeit haben, wirklich zu sein.

James Salter: «Alles, was ist». Roman. Deutsch von Beatrice Howeg. Berlin Verlag 2013, 368 Seiten, 22,99 €

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  25.12.2025

ANU-Museum Tel Aviv

Jüdische Kultobjekte unterm Hammer

Stan Lees Autogramm, Herzls Foto, das Programm von Bernsteins erstem Israel-Konzert und viele andere Originale werden in diesen Tagen versteigert

von Sabine Brandes  25.12.2025

Menschenrechte

Die andere Geschichte Russlands

»Wir möchten, dass Menschen Zugang zu unseren Dokumenten bekommen«, sagt Irina Scherbakowa über das Archiv der von Moskau verbotenen Organisation Memorial

 25.12.2025

Rezension

Großer Stilist und streitbarer Linker

Hermann L. Gremliza gehört zu den Publizisten, die Irrtümer einräumen konnten. Seine gesammelten Schriften sind höchst lesenswert

von Martin Krauß  25.12.2025

Glastonbury-Skandal

Keine Anklage gegen Bob-Vylan-Musiker

Es lägen »unzureichende« Beweise für eine »realistische Aussicht auf eine Verurteilung« vor, so die Polizei

 24.12.2025

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025

Hollywood

Ist Timothée Chalamet der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars - der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025