Nachbetrachtung

Der Dichter und sein Volk

Trommelt für Deutschland: Günter Grass Foto: dpa

Die letzte Tinte scheint tatsächlich verbraucht zu sein. Nachdem er sich mit seinem lyrischen Leitartikel »Was gesagt werden muss« noch einmal ins Rampenlicht gestellt hatte, ließ sich der 84-jährige Günter Grass mit Herzproblemen in ein Hamburger Krankenhaus einliefern – für eine Untersuchung, die nach eigener Aussage lange geplant war.

Doch egal, ob der Literaturnobelpreisträger es schafft, noch einen weiteren Roman oder wenigstens einen Gedichtband zu verfassen oder nicht, eines hat er jedenfalls schon zu Lebzeiten erreicht: den Aufstieg vom Lieferanten für Oberstufenunterrichtslektüre zu einem wahren Volksschriftsteller.

shitstorm Denn waren in fast allen Redaktionen der Republik bemerkenswert sachliche und faktenorientierte Zurückweisungen der Grass’schen Behauptungen zu lesen, Israel gefährde den Weltfrieden und plane eine Auslöschung des iranischen Volkes, waren dort, wo sich Volkes Stimme vernehmen lässt – sei es im Internet oder im wirklichen Leben –, ganz andere Töne zu hören. (Arroganz gegenüber den Stammtischen ist diesbezüglich übrigens nicht angebracht, denn in den Kaffeehäusern sah es nicht wesentlich anders aus.)

»Ich bewundere den Mut, den Herr Grass an den Tag gelegt hat – die Wahrheit – zu sagen. Denn die Wahrheit ist: Der Weltfrieden wird von den kriegslüsternen imperialistischen Zionisten in Israel bedroht und von niemand anders«, lautet ein Leserkommentar auf »Tagesschau.de«. Und auf »WELT Online« schreibt ein User über Grass: »der hat wenigstens die eier, was die meisten deutschen nicht haben! lieber wie die israelis lügen aufbauen um dann die welt sich selbst zu unterwerfen!« Das sind nur zwei von unzähligen Beispielen.

In einer Umfrage der Financial Times Deutschland (FTD) »Die Israel-Thesen von Günter Grass sind ...« antworteten von mehr als 20.000 Teilnehmern 57 Prozent mit »richtig« und weitere 27 Prozent mit »diskutabel«. »Antisemitisch« finden sie nur vier Prozent. Ähnlich die Ergebnisse einer Online-Umfrage der ARD: »Ich stimme Grass vollkommen zu«, sagten 50,92 Prozent. Dass Grass »zu weit gegangen« ist, finden nur 15,37 Prozent. Weder die FTD noch die ARD gelten als Medien für bildungsferne Schichten.

leserbriefe Auch diese Zeitung bekam in der Causa Grass Leserbriefe, deren Schreiber nicht wie üblich aus der Anonymität heraus agieren, sondern geradezu stolz Namen und Adresse angeben. »Die persönlichen Angriffe und Beleidigungen gegen die Person Günter Grass beweisen wieder einmal, dass die Presse in Deutschland meistens von der jüdischen Lobby gelenkt wird, und zwar massiv.

Dieses Tabu muss gebrochen werden«, schreibt ein Robin Fermann. Dieter Krause aus Leipzig droht dunkel in Richtung Israel: »Und die Begründung eines möglichen Angriffs auf den Iran mit einem Hinweis auf das biblische Buch Esther zu begründen – so wie von Ministerpräsident Netanjahu vor kurzem in Washington geschehen – ist schlicht eine Schande! Oder ein metaphysisches Verbrechen. Die Strafe dafür wird wohl irgendwann auf dem Fuß folgen!«

Er verspricht jedoch: »Aus Solidarität mit Günter Grass werde ich vorerst aber den Staat Israel nicht mehr betreten und ihn mit auf meine persönliche Boykottliste setzen.« Wenigstens diese Strafe bleibt dem jüdischen Staat erspart.

Marbach

Israelische Soziologin Eva Illouz hält Schillerrede

Illouz widme sich dem Einfluss wirtschaftlichen Denkens und Handelns und greife damit Widersprüche kulturgeschichtlich auf, hieß es

 17.07.2025

Musik

1975: Das Jahr großer Alben jüdischer Musiker

Vor 50 Jahren erschienen zahlreiche tolle Schallplatten. Viele der Interpreten waren Juden. Um welche Aufnahmen geht es?

von Imanuel Marcus  17.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  17.07.2025 Aktualisiert

Interview

»A reluctant hero«

Maya Lasker-Wallfisch about the 100th birthday of her mother Anita Lasker-Wallfisch, musician and survivor of Auschwitz, a birthday concert and a private visit of the King of the United Kingdom

von Ayala Goldmann  17.07.2025

Thüringen

Jüdisches Kulturfest will Haifa stärker einbeziehen

Beide Städte pflegen seit dem Jahr 2005 eine offizielle Städtepartnerschaft

 17.07.2025

Meinung

Fereidoonis Leitfaden: Gut gemeint, schlecht gemacht

Der Didaktikprofessor Karim Fereidooni hat Empfehlungen für den Umgang mit dem Gazakrieg in Schulen vorgelegt. Trotz guter Absichten weist das Papier erhebliche Schwächen auf, wie ein Forschungsverbund zurecht kritisiert

von Marc Jacobsen, Patrick Viol  17.07.2025

Berlin

Mögliche Einigung über Raubkunst-Plastik?

Streit um den Tänzerinnenbrunnen: Anwälte von Erben und Georg Kolbe Museum kamen zu erstem Treffen zusammen

 17.07.2025 Aktualisiert

Aufgegabelt

Teiglach

Rezepte und Leckeres

 16.07.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 17. Juli bis zum 25. Juli

 16.07.2025