Zu Fuss durchs jüdische New York

Steins Zeit

Alfred Polgar hat hier nie gesessen. Auch Egon Friedell nicht, der sich 1938 aus dem Fenster stürzte. Nicht Peter Altenberg und Friedrich Torberg, auch nicht Karl Kraus. Das Café Sabarsky befindet sich auch nicht »unterm wienerischen Breitengrad am Meridian der Einsamkeit«, es liegt ganz profan an der Fifth Avenue.

Ich gehe manchmal dorthin, wenn mich das Heimweh überfällt. Allerdings handelt es sich hier nicht um ein Heimweh nach einem wirklichen Ort – das real existierende Österreich, in dem ich aufgewachsen bin, ist mir von Herzen egal –, sondern nach einem Nicht-Ort, oder genauer: einem Nicht-Mehr-Ort. Ich sehne mich manchmal nach der untergegangenen Donaumonarchie. Ich sehne mich nach der Welt von gestern, in der das 20. Jahrhundert mit seinen Grausamkeiten noch unvorstellbar erschien. Und dann gehe ich ins Sabarsky.

Das Café gehört zur Neuen Galerie an der 86. Straße, einem Museum, das von Ronald Lauder begründet wurde und sich ganz der österreichischen und deutschen Kunst des frühen 20. Jahrhunderts verschrieben hat: Klimt, Schiele, die Maler der »Brücke«.

Mit seinem Namen erinnert das Café an Serge Sabarsky, einen jüdischen Emigranten aus Wien, der es 1939 nach New York schaffte und hier ein bedeutender Galerist und Kunstsammler wurde. Im Café bedienen mexikanische Kellner, denen man beigebracht hat, Bestellungen wie »eine Melange, bitte« zu verstehen. Der Topfenstrudel ist auch ziemlich gut. Die Thonet-Stühle, die Marmortische, die Zeitungen in den Holzgestellen – alles sehr originalgetreu.

Ich sitze dann da, blättere in der amerikanischen Lokalpresse und denke an den alten Witz von den ungarischen Exilanten: Der eine bewundert den anderen, weil er so akzentfrei Englisch spreche, und jener erklärt daraufhin stolz: »Äveri däi ai riet sä Néwjork Timesch.« Ich hocke also im Sabarsky, rühre in meinem Kaffee und lese »sä Néwjork Timesch«. Und wenn ich dann noch höre, wie am Nebentisch Hebräisch gesprochen wird, dann bin ich selig.

Café Sabarsky, 1048 Fifth Avenue

USA

Der Lautsprecher

Howard Lutnick gibt sich als Architekt der amerikanischen Zollpolitik. Doch der Handelsminister macht sich mit seiner aggressiven Art im Weißen Haus zunehmend Feinde

von Sebastian Moll  18.04.2025

Ungarn

Die unmögliche Geige

Dies ist die zutiefst berührende Geschichte eines Musikinstruments, das im Todeslager Dachau gebaut und 70 Jahre später am Balaton wiedergefunden wurde

von György Polgár  17.04.2025

Medien

Noa Argamani ist auf der »Time 100«-Liste

Alljährlich präsentiert das »Time Magazine« die 100 einflussreichsten Menschen der Welt. 2025 ist auch eine freigelassene israelische Geisel dabei

 17.04.2025

USA

Neuauflage von Weinstein-Prozess startet

Vor gut einem Jahr überraschte ein Gericht in New York die Welt und hob das historische Vergewaltigungsurteil gegen Harvey Weinstein auf. Nun wird über die Vorwürfe erneut verhandelt

von Benno Schwinghammer  14.04.2025

Türkei

Die Optimistin

Liz Behmoaras schrieb über das jüdische Leben im Land – und für das Miteinander. Ein Nachruf

von Corry Guttstadt  14.04.2025

Ägypten

Gefährliches Paradies

Der Sinai ist einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Gern auch zu Pessach. Aber zu welchem Preis?

von Matthis Kattnig  11.04.2025

Feiertag

Putzen, Plagen, Playmobil

Neben Mazza und Haggada bietet Pessach Raum für ganz neue, individuelle Rituale. Wir haben uns in sieben Familien in Europa und Israel umgehört

von Nicole Dreyfus  11.04.2025

Israel-Boykott

Johnny Rotten nennt Hamas »einen Haufen von ›Judenvernichtern‹ «

Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

USA

Eine Hochschule und ihr LGBTQ-Klub

Die einen feiern den »Meilenstein für queere Juden«, die Yeshiva University rudert zurück. Nicht nur die orthodoxe Gemeinschaft ist verwirrt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025