Würdigung

Niederländischer Kardinal erhält Auszeichnung von Yad Vashem

Die »Halle der Namen« in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem Foto: imago/JOKER

1955 starb der niederländische Kardinal Johannes de Jong. Der Name des ehemaligen Erzbischofs von Utrecht dürfte nur den wenigsten geläufig sein – bis jetzt. Denn die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ehrte De Jong mit der höchsten Auszeichnung Israels für Nicht-Juden. Er ist nun einer von knapp 28.000 »Gerechten unter den Völkern.«

Widerstand Gewürdigt wurde De Jong für seinen Widerstand, den er aus der katholischen Kirche heraus unnachgiebig gegen das NS-Regime organisierte. Sein Auflehnen zeigte sich unter anderem im Juli 1942, als er zusammen mit weiteren Bischöfen in einem öffentlichen Brief das brutale Vorgehen der Nationalsozialisten und die Judenverfolgung verurteilte. Im Februar 1943 folgten zwei weitere Briefe, in denen er sich wiederholt gegen die deutschen Besatzer sowie die nationalsozialistische Partei »Nationaal-Socialistische Beweging in Nederland« stellte.

Doch Johannes de Jong nahm nicht nur eine klare Haltung ein. Er versuchte auch Papst Pius XII. davon zu überzeugen, als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche die Verbrechen der Nationalsozialisten zu verurteilen – vergeblich.

Wie die Zeitung »Nederlands Dagblad« berichtet, überreichte der israelische Botschafter Modi Ephraim die Urkunde am vergangenen Montag an die Angehörigen des ehemaligen Kardinals. Diese berichteten in ihrer Dankesrede unter anderem von der Bescheidenheit des Geistlichen. Demnach sei De Jong eher verlegen gewesen, als noch zu seinen Lebzeiten eine katholische Schule nach ihm benannt wurde. Entsprechend entschieden habe er den Vorschlag, eine ihm gewidmete Statue errichten zu lassen, abgelehnt, berichteten Cousin Joop de Jong und Cousine Anne de Jong.

De Jong habe »Normen und Werte als höchstes Ideal für sein Funktionieren« angesehen

Stolz Über die posthume Auszeichnung hieß es: »Er hätte es für ein bisschen zu viel des Guten gehalten, aber tief im Inneren wäre er unglaublich stolz gewesen sein.« Auch David Simon, Vorsitzender der Stiftung »Freundeskreises Yad Vashem« in den Niederlanden, war bei der Urkundenvergabe anwesend. Er nannte De Jong einen »heldenhafter Retter, der nicht weggesehen, sondern geholfen hat.« Er sei ein ganz besonderer Mann gewesen, »der Normen und Werte als höchstes Ideal für sein Funktionieren ansah und danach handelte«, betonte Simon.

Wim Eijk, der heutige Erzbischof von Utrecht, erinnerte im Zuge der Auszeichnung an weitere Wagnisse, mit denen Johannes de Jong im Zweiten Weltkrieg sein Leben riskierte. Demnach habe De Jong auch von Versteckadressen jüdischer Kinder gewusst und diese in einem geheimen Archiv verwahrt. Laut Eijk soll er auch jüdische Untergetauchte heimlich im Keller seines erzbischöflichen Palastes untergebracht haben.

Johannes de Jong wurde 1885 im niederländischen Nes der Gemeinde Ameland geboren. Nach seiner priesterlichen Ausbildung wurde er 1908 offiziell zum Priester geweiht. Von 1936 bis zu seinem Tod im September 1955 war er Erzbischof von Utrecht. Damit galt er damals als der höchste Vertreter der niederländischen katholischen Kirchenprovinz.

Nachruf

Joe Lieberman stirbt mit 82 Jahren

Fast ein Viertel Jahrhundert lang setzte er sich als Senator auch für jüdische Belange ein

von Imanuel Marcus  28.03.2024

USA

Bildhauer Richard Serra gestorben

Für mehr als 100 öffentliche Orte schuf er Skulpturen – von Philadelphia und St. Louis bis Bochum und Kassel

 27.03.2024

Moskau

Evan Gershkovich bleibt in Untersuchungshaft

Putin will den inhaftierten US-Journalisten gegen russische Gefangene auszutauschen

 26.03.2024

Glosse

Woher stammt der Minderwertigkeits-komplex vieler Schweizer gegenüber Deutschen?

Und was verbindet die Identitätskarte mit der Rappenspalterei?

von Nicole Dreyfus  25.03.2024

Schweiz

Antisemitismus-Problem an Schulen

Die Zahlen sind erschreckend, doch die Stadt Bern wiegelt ab. Und jüdische Eltern verlieren das Vertrauen

von Nicole Dreyfus  24.03.2024

Großbritannien

»Beste Wünsche für eine Refua Schlema«

Oberrabbiner Sir Ephraim Mirvis und das Board of Deputies wenden sich nach ihrer Krebsdiagnose an Prinzessin Kate

 24.03.2024 Aktualisiert

Jubiläum

Mehr als koscheres Pastrami-Sandwich

New York feiert in diesem Jahr seinen 400. Geburtstag. Eine Reise durch die jüdische Geschichte der Stadt

von Hannes Stein  23.03.2024

Iran

Von Schuschan bis Teheran

Tausende Juden leben noch in der Islamischen Republik. Dieser Tage feiern sie Purim – trotz allem

von Mascha Malburg  21.03.2024

Europäischer Jüdischer Kongress

»Israel-Bashing führt zu Gewalt gegen Juden in Europa«

EJC-Präsident Ariel Muzicant kritisiert die israelfeindliche Rhetorik von Politikern wie dem EU-Chefdiplomaten Borrell

 21.03.2024