Italien

Lebende Häuser

Im Nationalmuseum für italienisches Judentum und für die Schoa (MEIS) in Ferrara ist noch bis Mitte September die Ausstellung Case di vita. Sinagoghe e cimiteri in Italia (Häuser des Lebens. Synagogen und Friedhöfe in Italien) zu sehen.

Die Schau stellt anhand von Synagogen und Friedhöfen auf originelle Art dar, wie sich die Liturgie sowie das soziale und wirtschaftliche Leben während der vergangenen 2000 Jahre entwickelt haben. Es ist das erste Mal, dass in Italien eine solche Gesamtschau gezeigt wird, die das ganze Land und alle Epochen beleuchtet.

»Case di vita« (Häuser des Lebens): Schon aus dem Titel wird ersichtlich, dass Synagogen und Friedhöfe Zentren des jüdischen Lebens sind, Begegnungsräume und wichtiger Bestandteil einer Gemeinde – Räume, in denen Feiertage, Hochzeiten, Geburten und Beerdigungen gefeiert werden. Ihre Formen und Stile – angepasst an die jeweiligen Vorgaben – erlauben es dem Besucher, den Wandel in Jahrhunderten gemeinschaftlichen Lebens der Juden zu betrachten.

SYNAGOGEN Zuerst war es der Antijudaismus, der das Verhältnis der Gemeinden zu den jeweiligen politischen und religiösen Mächten definierte, später waren es Integrationsprozesse und die Assimilierung vieler Juden, die ihr Verhältnis zur Mehrheitsgesellschaft bestimmten. Anhand von Beispielen aus sowohl größeren wie auch kleineren Gemeinden zeigt die Ausstellung, wie die Bauten die Anforderungen an funktionelle Bedürfnisse, aber auch an Identitätswerte der Gemeinden zeitgemäß beantwortet haben. Dies wird unter anderem daran ersichtlich, wie sich in den Synagogen im Laufe der Jahrhunderte die Gestaltung des Aron Hakodesch und der Emporen entwickelte.

Es ist das erste Mal, dass in Italien eine solche Gesamtschau gezeigt wird, die das ganze Land und alle Epochen beleuchtet.

Die Kuratoren der Ausstellung, der Architekt Andrea Morpurgo und MEIS-Direktor Amedeo Spagnoletto, präsentieren den Besuchern 86 Exponate, die von einer baulichen Schönheit zeugen, die den meisten Betrachtern zuvor noch nicht bekannt gewesen sein dürfte. Die Ausstellung zeigt dem Besucher nicht nur das jüdische Leben vergangener Jahrhunderte, sondern sie wirft auch ein neues Licht auf die italienischen Städte. Anhand von Dokumenten aus Stadt- und Gemeindearchiven oder anhand innerfamiliärer Überlieferung stellt die Ausstellung Bauprojekte mehrerer Jahrhunderte vor.

Die Reise startet in der römischen Antike mit der Synagoge von Ostia Antica, geht weiter durch die Renaissance und dann zu den Ghettos des 16. bis 19. Jahrhunderts, als die Synagogen von außen nicht als solche erkennbar sein durften. Es folgt die Phase der Emanzipation und des Risorgimento, der Einigung Italiens zwischen 1815 und 1870, als auch Juden aktiv am Leben in den Städten teilnehmen wollten und monumentale Tempel bauten. Am Ende widmet sich die Ausstellung den wenigen nach 1945 neu errichteten Synagogen und den vielen, die nach dem Krieg und der Zerstörung wiederaufgebaut und restauriert wurden.

MACHSOR Atemberaubend sind die erstmals öffentlich gezeigten Miniaturen eines Machsor (Gebetsbuch) aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus der Region Emilia-Romagna oder die Lizenz vom 18. März 1540, die Herzog Federico II. dem deutsch-jüdischen Bankier Isach da Port ausstellte, damit dieser eine private Synagoge in Mantua errichten durfte.

Atemberaubend sind einige erstmals öffentlich gezeigte Miniaturen.

Auf seiner Reise durch die italienisch-jüdische Geschichte begegnet der Besucher auch dem Aron Hakodesch der Gemeinde in der piemontesischen Stadt Vercelli aus dem 17. Jahrhundert und dem Innenraum einer römischen Synagoge, zu sehen auf einer Lithografie aus dem 19. Jahrhundert.

katakomben Neben den Bethäusern widmet sich die Ausstellung Friedhöfen: Sie erzählt von den jüdischen Katakomben in Rom und Venosa, verlorenen Orten außerhalb der Stadtmauern vom Mittelalter bis zur Emanzipation. Ähnlich wie beim Synagogenbau kam es auf Friedhöfen zu einer vielfältigen Vermischung von Stilen. Davon zeugt ein wertvoller Holzsitz, beschichtet mit Bronze, den ein Mailänder Bankier und Senator Ende des 19. Jahrhunderts bei einem Bildhauer für den israelitischen Teil des Cimitero Monumentale in Mailand bestellte.

Vor einigen Wochen wurde die Ausstellung vom italienischen Präsidenten ausgezeichnet. In den Wochen, in denen sie zu sehen ist, können die Besucher auch einen Blick in die drei Synagogen von Ferrara werfen, die normalerweise geschlossen sind. Das Museum ermöglicht es Interessenten außerdem, den jüdischen Friedhof zu besuchen. Er ist durch Giorgio Bassanis Roman Il giardino dei Finzi-Contini (Die Gärten der Finzi-Contini) in die Geschichte eingegangen.

Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
https://meis.museum

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