Großbritannien

In den eigenen Reihen

Solidarität: »Black Lives Matter«-Kundgebung am 13. Juni in Brighton Foto: imago images/ZUMA Wire

Solidarität mit der »Black Lives Matter«-Bewegung: Auch für die jüdische Community in Großbritannien ist das in diesen Tagen ein wichtiges Anliegen.

In England, Wales, Schottland und Nordirland sind Gemeindemitglieder in den vergangenen Wochen gemeinsam mit ihren Landsleuten auf die Straße gegangen, um nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd in den USA gegen Rassismus zu protestieren.

ausgrenzung Der jüdische Dachverband Board of Deputies of British Jews nimmt die weltweiten Anti-Rassismus-Demonstrationen nun zum Anlass, um den Blick auf schwarze und farbige Juden im Land zu lenken. Eine vom Dachverband Anfang Juni eingesetzte Kommission mit dem Titel »Commission on Racial Inclusivity in the Jewish Community« soll herausfinden, welche Diskriminierungserfahrungen diese Menschen in britischen Synagogen und Gemeindeeinrichtungen machen und wie Ausgrenzung im Alltag zukünftig vermieden werden kann.

»Der Mord an George Floyd und das Ausmaß an Gewalt und Vorurteilen, denen schwarze Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks ausgesetzt sind, hat uns alle sehr getroffen«, sagt Marie van der Zyl, Präsidentin des Board of Deputies.

Während die jüdische Gemeinschaft Solidarität zeigen und versuchen müsse, die gesamte Gesellschaft nachhaltig zu verändern, gebe es auch Dinge, die in der Gemeinschaft selbst angegangen werden müssten. Dazu gehöre es, Gemeindeinstitutionen zu einem Ort der Vielfalt und Diversität zu machen.

partnerinstitutionen »Die Kommission hat die Aufgabe, den schwarzen britischen Juden zuzuhören, um Vorurteile und Hindernisse zu verstehen, die in unserer eigenen Gemeinde bestehen«, so van der Zyl. Ziel sei, mit Partnerinstitutionen zusammenzuarbeiten, um Rassismus in den jüdischen Gemeinden eine Absage zu erteilen. »Wir wollen durch die Arbeit der Kommission sicherstellen, dass es in unserer Community keine Toleranz für jegliche Form des Rassismus gibt«, so die Präsidentin.

Als Vorsitzender der Anti-Rassismus-Kommission wurde der Politikredakteur der linken britischen Wochenzeitung »New Statesman«, Stephen Bush, ernannt.

Als Vorsitzender der Anti-Rassismus-Kommission wurde der Politikredakteur der linken britischen Wochenzeitung »New Statesman«, Stephen Bush, ernannt. Der 30-jährige gebürtige Londoner stammt aus einer jüdisch-afrobritischen Familie.

»Es ist mir eine Ehre, mit Unterstützung des Dachverbands eingeladen worden zu sein, diese in diesen Zeiten wichtige Initiative für die jüdische Gemeinde zu leiten«, sagte Bush. »Zusammen mit schwarzen britischen Juden aus der Community werden wir in der Lage sein, die Themen zu untersuchen, die im Zentrum ihrer Erfahrung stehen.«

erfahrungen Bush rief alle schwarzen Juden und Juden misrachischer Abstammung dazu auf, ihre Erfahrungen in Form von schriftlichen Stellungnahmen der Kommission mitzuteilen. Auch Mitglieder britisch-jüdischer Gemeinden, die mit einem schwarzen Partner liiert sind, sowie schwarze Nichtjuden, die in Einrichtungen der Gemeinden arbeiten, können sich an der Umfrage beteiligen.

Der Zeitung »Jewish News« sagte Bush, dass er persönlich bislang keine Erfahrungen mit Rassismus in der Gemeinde gemacht hat. »Ich bin nie als Teil einer schwarzen Familie zur Synagoge gekommen«, so der Journalist.

Keine eigene unmittelbare Erfahrung mit rassistischer Diskriminierung gemacht zu haben, sieht Bush für seine Rolle als Kommissionsleiter als Vorteil. Er sagte, dass er »bewusst alles verlernen möchte«, was er über Rassismus und Ausgrenzung zu wissen glaubte, um die Untersuchung möglichst offen anzugehen.

schnittstelle »Meine Grundannahme ist, dass die Menschen, die sich stärker ausgegrenzt fühlen, diejenigen sein werden, die sich an einer komplexen Schnittstelle dessen befinden, was es für sie und ihre Identität bedeutet, jüdisch zu sein«, sagte Bush.

Die Kommission, die in dieser Form in Großbritannien bisher einmalig ist, hat sechs Monate Zeit, ihre Untersuchung durchzuführen. Anfang des kommenden Jahres sollen die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt werden. »Ich möchte eine Reihe ernsthafter Empfehlungen erarbeiten, die für die Gemeinde in all ihren religiösen Facetten hilfreich sein können«, so Kommissionschef Bush.

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