Brüssel/Warschau

»Hören Sie auf, aus Opfern Täter zu machen!«

Maram Stern Foto: Marco Limberg

Brüssel/Warschau

»Hören Sie auf, aus Opfern Täter zu machen!«

Jüdischer Weltkongress schreibt Offenen Brief an Polens Premier

 22.02.2018 11:43 Uhr

Der stellvertretende Geschäftsführer des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Maram Stern, hat sich in einem Offenen Brief an Polens Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki gewandt. Darin appelliert er an ihn: »Hören Sie auf, aus Opfern Täter zu machen!«

Stern saß während der Münchener Sicherheitskonferenz am vergangenen Samstag im Saal, als Morawiecki das neue polnische »Holocaust-Gesetz« zu verteidigen suchte. Dabei sagte der Premier, »dass es polnische Täter gab, so wie es jüdische Täter gab, so wie es russische Täter gab, so wie es ukrainische und nicht nur deutsche Täter gab«.

holocaust »Diese Aussage hat mich fassungslos gemacht«, schreibt Stern, dessen Eltern polnische Juden waren, die nur durch glückliche Umstände den Holocaust überlebten. Sein Vater habe in Polen den »alltäglich spürbaren Judenhass« erlebt, »den es dort schon lange vor dem Einmarsch der deutschen Truppen gab«, heißt es in dem Brief.

Über die Mutter schreibt Stern: »Wie oft hörte ich sie sagen, dass sie sich selbst während der deutschen Besatzung mehr vor ihren polnischen Nachbarn als vor den deutschen Soldaten gefürchtet hatte. Sie wurde schließlich von Nachbarn verraten und kam ins Warschauer Ghetto. Später wurde sie nach Auschwitz deportiert«.

Viele in seiner Generation hätten von den »Eltern ähnliche Geschichten gehört«, so Stern weiter. »Kein Gesetz der Welt wird uns verbieten, darüber zu sprechen, was unsere Eltern oder Großeltern durchmachen mussten.«

Gerechte In seinem Brief hebt Stern allerdings auch hervor, dass viele Polen »unter dem Risiko, von Deutschen hingerichtet zu werden, Juden bei sich versteckt« haben. Diese Menschen »waren Helden« und würden es immer bleiben. »Wir Juden ... verneigen uns vor jenen, die in der Stunde der größten Not unseren Eltern beigestanden haben. Ohne diese Gerechten wären viele von uns gar nicht auf die Welt gekommen.«

Dennoch, so Stern, werde man nicht schweigen, »wenn Versuche unternommen werden, Geschichtsklitterung zu betreiben und Teilaspekte der polnischen Geschichte unter den Teppich zu kehren«.

Stern ruft Morawiecki auf, etwas gegen den grassierenden Antisemitismus im Land zu tun und schließt seinen Brief mit der eindringlichen Bitte: »Hören Sie auf, aus Opfern Täter zu machen. Zeigen Sie Größe und nehmen Sie dieses Gesetz zurück!« ja

Schweiz

NGO verklagt Schweiz wegen Kauf israelischer Drohnen

Ein Kollektiv aus Genf will mit einer Klage erreichen, dass die Schweiz keine Drohnen aus Israel beschafft

 17.07.2025

London

Geheimbesuch vom Monarchen

Er kam, um ihr persönlich zum Geburtstag zu gratulieren, und blieb eine halbe Stunde: König Charles III. war bei Anita Lasker-Wallfisch zu Gast

von Michael Thaidigsmann  17.07.2025

Auszeit

Mit Schwimmkleid ins Wasser

Wie orthodoxe Frauen im Sommer am Zürichsee eine Auszeit vom Alltag nehmen

von Nicole Dreyfus  17.07.2025

Geburtstag

Einziger jüdischer NASA-Chef: Dan Goldin wird 85

Als er Administrator der Raumfahrtbehörde wurde, wollte er alles »schneller, besser und billiger« hinkriegen. Denn Geldfresser bremsten die NASA

von Imanuel Marcus  17.07.2025

Iran

Esthers Kinder

Wie die älteste Diaspora-Gemeinschaft 2700 Jahre überlebte – und heute erneut um ihre Existenz kämpft

von Stephen Tree  16.07.2025 Aktualisiert

Interreligiöser Dialog

»Das ist Verrat«

Ein Imam aus den Niederlanden nahm an einer Reise muslimischer Geistlicher nach Israel teil - prompt verlor er seinen Job

von Michael Thaidigsmann  15.07.2025

USA

Düsterer »Nice Jewish Boy«

Seinen ersten Kinofilm sah Ari Aster im Alter von vier Jahren und ist fast daran gestorben. Als junger Hollywood-Regisseur mischt er nun das Horror-Genre auf

von Sarah Thalia Pines  14.07.2025

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

Philosophie

Der Moment des Staunens

Am 13. Juli jährt sich der Geburtstag von Jeanne Hersch zum 115. Mal. Lange wurde die Existentialistin ausgerechnet von der akademischen Forschung marginalisiert – und kaum als jüdische Philosophin wahrgenommen

von Richard Blättel  11.07.2025

Spanien

»Haut ab, ihr Hurensöhne« - Wirt vertreibt Israelis

Ein Gastwirt rastet gegenüber einer Gruppe israelischer Touristen aus, beschimpft sie und verweist sie des Lokals

von Michael Thaidigsmann  11.07.2025