Großbritannien

Get oder Gericht

Orthodoxe Hochzeit in Israel Foto: Flash 90

In Großbritannien sollen Ehemänner, die ihren Frauen die Scheidung nach religiösem Recht verweigern, bald auch strafrechtlich belangt werden können. Die Regierung von Premierminister Boris Johnson hat einer entsprechenden Änderung ihres Gesetzentwurfs zugestimmt. Das Gesetz soll die häusliche Gewalt besser bekämpfen und liegt momentan zur Beratung im Oberhaus.

NÖTIGUNG Demnach könnten künftig auch jüdische Männer, die ihrer bereits getrennt von ihnen lebenden Frau den Scheidebrief, den sogenannten »Get«, verwehren, wegen Nötigung vor Gericht gestellt werden. Ihnen würden dann bis zu fünf Jahre Haft drohen.

Joanne Greenaway, die früher am Londoner Bet Din für jüdische Ehescheidungen zuständig war, sagte der Nachrichtenseite »Jewish News«, sie hoffe, dass die Gesetzesnovelle zusätzlichen Schutz bringen werde für Frauen, die von ihren Ex-Männern keinen Get erhalten.

Im House of Lords hatte sich parteiübergreifend eine Gruppe jüdischer Mitglieder zusammengefunden, die sich für die Gesetzesänderung stark gemacht hatte. Baronin Ros Altmann sagte der »Jewish News«: »Wir setzen uns schon seit Längerem dafür ein, dass dieses Problem für die betroffenen Frauen angegangen wird. Wir wollen helfen, sie zu befreien, damit sie ihr Leben weiterleben können.«

SANKTIONEN Bislang kann ein Ehemann argumentieren, sein Verhalten könne deswegen nicht als Nötigung oder häusliche Gewalt angesehen werden, weil er nicht mehr mit seiner Frau zusammenlebe. »Die Verschärfung der Definition wird Klarheit bringen, damit mehr Menschen diesen Weg nutzen und schneller mit ihrem Leben weitermachen können«, so Joanne Greenaway gegenüber der »Jewish News«.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Zivil- und gar strafrechtliche Sanktionen sind in den meisten europäischen Ländern bei religiösen Ehen die Ausnahme. In den Niederlanden verhängen Richter seit Anfang der 1980er-Jahre bereits Geldstrafen für Männer, die sich weigern, in die religiöse Ehescheidung einzuwilligen. Es handele sich um ein »unangemessenes soziales Verhalten« gegenüber den geschiedenen Frauen, entschied damals das Oberste Gericht der Niederlande. Seit zwei Jahren ist dies auch gesetzlich geregelt.

HALACHA Gemäß der Halacha muss ein jüdischer Mann im Falle der endgültigen Trennung von seiner bisherigen Frau einen Get einen gewähren, bevor die Ehescheidung auch für die Frau wirksam wird. Verweigert er diesen Get, wird die Betroffene zu einer »Aguna«.

Die Europäische Rabbinerkonferenz (CER) und ihr Präsident, Moskaus Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, setzen sich seit Jahren für die Belange der betroffenen Frauen ein. Das Problem habe sich in den vergangenen Jahrzehnten zwar deutlich entschärft, betont Goldschmidt, sei aber nach wie vor aktuell.

Seien vor 100 Jahren allein in Polen rund 20.000 jüdische Frauen von ihren Männern daran gehindert worden, erneut zu heiraten, gebe es heute, so schätzt der Oberrabbiner, jährlich noch rund 130 bis 200 Agunot in Europa. 30 bis 40 Prozent könne man jedoch helfen.

Während in Israel rabbinische Gerichte befugt sind, orthodoxe Männer, die ihre Frauen nicht aus der Ehe entlassen wollen, zu sanktionieren – einschließlich des Aussprechen von Gefängnisstrafen –, gilt dies grundsätzlich nur für israelische Staatsbürger und jene, die in Israel ihren dauerhaften Wohnsitz hatten.

DRUCK In der Diaspora hingegen haben rabbinische Gerichte keine Handhabe, auf widerspenstige Männern Druck auszuüben – selbst dann nicht, wenn die Rabbiner die Auflösung einer Ehe für zwingend erforderlich erachten.

In Großbritannien gab es bislang nur den Weg, die rechtliche Wirksamkeit einer zivilen Ehescheidung so lange zu verzögern, bis die betroffene Frau von ihrem Mann auch aus dem religiösen Bund entlassen ist. mth

Spanien

Mallorca als Vorbild

Das Stadtparlament von Palma hat eine Antisemitismus-Resolution verabschiedet – anders als der Rest des Landes

von Sabina Wolf  26.07.2024

Sport

Der Überflieger

Artem Dolgopyat ist in Israel ein Star. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio gewann der Turner Gold, 2023 wurde er Weltmeister. Nun tritt er in Paris an

von Martin Krauß  26.07.2024

Europäisches Parlament

»Zittert. Das hier ist nur der Anfang«

Die frisch gebackene französische Abgeordnete Rima Hassan hetzt gegen Israel

von Michael Thaidigsmann  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Frankreich

»Man ist schließlich französisch«

Ganz Paris feiert die Olympischen Spiele. Ganz Paris? Nicht alle Juden fühlen sich vom erwünschten »Wir-Effekt« angesprochen. Denn das Land bleibt zerrissen

von Sophie Albers Ben Chamo  25.07.2024

USA

Die zweite Wahl?

Mit dem Rückzug von Joe Biden und der Kandidatur von Kamala Harris könnte das Rennen um die Präsidentschaft noch einmal richtig spannend werden

von Michael Thaidigsmann  24.07.2024

Jüdische Emigration

Die Niederlande - Ein Ort der Zuflucht für Juden?

Die Historikerin Christine Kausch nimmt das Leben jüdischer Flüchtlinge in den Blick

von Christiane Laudage  24.07.2024

Vor 80 Jahren

Von Rhodos nach Auschwitz

1944 wurden 2000 Jüdinnen und Juden von Rhodos nach Auschwitz deportiert. Nur wenige überlebten

von Irene Dänzer-Vanotti  23.07.2024

Jerusalem

Nach Gaza entführter Holocaust-Experte für tot erklärt 

Der Historiker Alex Dancyg ist in der Geiselhaft umgekommen

 22.07.2024