Polen

Fromme Tour

Eine alte Legende besagt, dass auf dem Dachboden der alten Synagoge im südostpolnischen Chelm jahrhundertelang ein Golem eingesperrt war. Dorthin verbannt haben soll ihn Rabbiner Eljahu, der, nachdem er ihn zum Schutz der örtlichen Juden geschaffen hatte, die Macht des Golem zu fürchten begann. Von der alten Synagoge von Chelm gibt es heute nur die Ruine, doch ihre Geschichte wie auch die neue, bestehende Synagoge soll künftig kultur- und geschichtsinteressierte Besucher anziehen. Denn sie sind Bestandteil der im Entstehen befindlichen Chassidischen Straße, entlang der in 24 bislang eher unbekannten, vergessenen Orten wie auch in größeren Städten an die Geschichte der chassidischen Bewegung erinnert werden soll.

Die Initiative dafür stammt von der Stiftung für den Schutz des jüdischen Erbes (FODZ) in Warschau. Die im Jahr 2000 von den konfessionellen jüdischen Gemeinden Polens gegründete Organisation kümmert sich vor allem um ehemalige jüdische Stätten wie Friedhöfe und Synagogen in Gebieten, in denen es heute keine jüdischen Gemeinden mehr gibt.

zusammenarbeit Seit 2004 verfolgt die FODZ die Pläne, die Chassidische Straße zu etablieren. Dabei hat sich die Generaldirektorin der Stiftung, Monika Krawczyk, zum Ziel gesetzt, mit möglichst vielen lokalen Organisationen und Selbstverwaltungen zusammenzuarbeiten und sie in das Projekt einzubinden. »Diese Objekte sind das Erbe der polnischen Kultur, nicht nur der jüdischen«, sagt sie im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Durch die Betonung dieser Perspektive soll die lokale nichtjüdische Bevölkerung für die Pläne gewonnen werden. »Außerdem können wir von Warschau aus gar nicht alles alleine machen, es muss dezentral laufen«, sagt Krawczyk.

Die Chassidische Straße wird rund eintausend Kilometer lang sein. Sie erstreckt sich von Wlodawa und endet in Baligród im Bieszczady-Gebirge im äußersten Süden Polens. Zentraler Ort sowie Info-Punkt samt Ausstellung wird die prachtvolle Synagoge von Zamosc sein, die bis Oktober aufwendig restauriert wird. Alle bisher geplanten 24 Orte befinden sich auf dem Gebiet der heutigen Wojewodschaften Lublin und Karpatenvorland, die im Osten beide an die Ukraine grenzen. Die Straße soll Synagogen, Häuser jüdischer Bruderschaften, Mikwen und Friedhöfe umfassen sowie ein chassidisches Zentrum in der Stadt Lezajsk.

museum Lezajsk war einst eine Art Hauptstadt der polnischen Chassiden. Und so gehen auch die Pläne weit über die bloße Restaurierung bestehender jüdischer Stätten hinaus. In der 14.000-Einwohner-Stadt, Wirkungsstätte und Todesort des bedeutenden Chassiden Elimelech, wird auch mit Unterstützung der FODZ ein chassidisches Zentrum errichtet. Darin soll nicht nur bedeutender Chassiden wie Menachem Mendel oder Abraham Joszua Heszel, die Schüler Elimelechs waren, gedacht werden, sondern es geht darum, das chassidische Erbe ganz Polens zu zeigen und wiederzubeleben. Ein Museum soll sich mit der Tradition der Chassiden in Polen beschäftigen, mit der Zeit des Holocaust in Lezajsk und dem Wirken von Elimelech. Geplant ist zudem der Bau einer Mikwe und eines Vortragssaals, auch die Einrichtung eines Hotels samt Räumen für religiöse Studien ist angedacht.

Der Bau des Zentrums soll bis zu zehn Millionen US-Dollar kosten und mit Mitteln vor allem aus Israel finanziert werden. Gleichwohl hält sich die Stiftung der Chassiden in Lezajsk mit Informationen eher bedeckt – womöglich auch, weil demnächst die entsprechenden Grundstücke von der Stadt zum Verkauf ausgeschrieben werden sollen. Denn bisher gehören erst zwei Bauten zur Stiftung.

Prominente Die Stadtverwaltung hofft auf wachsendes Prestige und viele Besucher. Lezajsk war vor dem Holocaust ein wichtiger Pilgerort. Und inzwischen kommen jährlich wieder zehntausende, meist jüdische Besucher in die Stadt, vor allem, um das Grab Elimelechs aufzusuchen. In den vergangenen Jahren waren etwa auch die US-Schauspielerin Demi Moore sowie Pop-Ikone Madonna, beide Kabbala-Anhängerinnen, in dem kleinen Städtchen zu Gast, um das Grab des 1786 verstorbenen Rabbiners zu sehen. Ein Grund für die beiden war sicherlich das einstige Versprechen Elimelechs, dass, wer sein Grab aufsuche, mit großem Wohlwollen rechnen könne.

Indes wächst das gesamte Straßenprojekt weiter. Nicht ausgeschlossen ist eine künftige Erweiterung um Orte in der heutigen Ukraine. »Die Idee entwickelt sich während ihrer Realisierung«, sagt Krawczyk ohne jegliche Ironie. Auf wirkliche Hürden stoße man nicht, nur ab und an gäbe es »bürokratische Barrieren«, von denen man jedoch nicht wisse, welche Ursachen sie hätten. Vielleicht hilft der Golem aus Chelm ein wenig mit, die Barrieren zu überwinden.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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