Ukraine

»Echte Helden«

Mit 36 Sportlern geht das Team bei der Maccabiah in Israel an den Start

von Martin Krauß  14.07.2022 07:50 Uhr

Die ukrainische Delegation bei der Eröffnungszeremonie der 20. Maccabiah 2017 in Jerusalem Foto: Fash90

Mit 36 Sportlern geht das Team bei der Maccabiah in Israel an den Start

von Martin Krauß  14.07.2022 07:50 Uhr

Viktoriya Dyakova ist aus dem ukrainischen Saporischschja nach Israel gereist. Nach der Maccabiah wird sie gleich wieder nach Hause zurückkehren. »Unsere Delegation hat ein großes Ziel, und das ist nicht nur der Sieg«, sagt die Vorsitzende von Makkabi Ukraine, »in erster Linie wollen wir eine Botschaft über den Krieg vermitteln.«

34 Sportlerinnen und Sportler sowie zwei Trainer bilden das ukrainische Team beim diesjährigen jüdischen Weltsportfest, das am 14. Juli beginnt: 22 Frauen und zwölf Männer, vier Athleten sind unter 18.

wettkämpfe Nicht alle, die an den Wettkämpfen teilnehmen wollten, sind mitgereist. So seien zum Beispiel die Schwestern Natalya und Anastasia Rutgaizer in der Ukraine geblieben, berichtet Makkabi-Chefin Dyakova. Die beiden Frauen aus Dnipro spielen Badminton auf sehr hohem Niveau und haben lange für die Maccabiah trainiert.

»Sie arbeiten in einem Krankenhaus und retten ukrainische Soldaten« – so etwas finde sich oft, erzählt Dyakova. »Viele Makkabi-Mitglieder haben ihre Familien an einen sicheren Ort geschickt und verteidigen nun die Ukraine – sie tun alles für einen Sieg.«

Die Maccabi World Union hat ukrainische Juden bei der Flucht unterstützt.

Den Familien bei der Flucht geholfen hat auch die jüdische Sportfamilie: Die Maccabi World Union (MWU) und Maccabi Europe unterstützten etwa 2000 ukrainische Juden, als sie das von Russland angegriffene Land verlassen wollten.

Gleich zu Beginn des Krieges, als die russischen Truppen Charkiw erreichten, begann für Dyakova die Arbeit. »Es war Schabbat, und wir koordinierten sofort und schnell eine Aktion, um 45 Personen über die rumänische Grenze zu bringen.« Es war der kürzeste Weg. In den Tagen und Wochen danach fanden sie andere Wege, um mehr Menschen in Sicherheit zu bringen: mit einem Bus Richtung Deutschland oder in die Slowakei.

ABLENKUNG Makkabi Ukraine versucht trotz des Krieges, den Sportbetrieb aufrechtzuerhalten. Erst Anfang des Monats fand in Odessa ein Schachturnier statt. »Die Teilnehmer konnten sich vom Krieg ablenken und sich beim Schachspielen Vergnügen«, heißt es auf Facebook.
Auch im Kleinen hilft die Makkabi-Familie. So wird etwa die einheitliche Teambekleidung von der MWU bezahlt. Viktoriya Dyakova und ihre Freundin Valentyna Dylova unterstützen sie dabei vor Ort. Die beiden Frauen stehen Makkabi Ukraine vor, und mithilfe der MWU konnten sie die gesamte Planung für die ukrainische Maccabiah-Teilnahme von der Slowakei aus machen.

»Mehrere Monate lang waren wir in Bratislava«, berichtet Viktoriya Dyakova. Andere blieben zu Hause. »Die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit, Galina Pechaiko, hat die Ukraine nicht verlassen«, erzählt Dyakova. »Ich danke meinen Helfern! Ohne die Teamarbeit wäre die Teilnahme der ukrainischen Delegation nicht möglich gewesen.«

Viktoriya Dyakova spart nicht an Pathos, um die Bedeutung des Auftritts bei der Makkabiade in der für ihr Land schwierigen Zeit zu betonen. »Wir wissen, dass das ganze Land hinter uns steht. Unsere Waffenbrüder, die jetzt dort kämpfen, stehen hinter uns«, sagt sie. »Physisch sind wir hier, aber im Geiste sind wir immer in der Ukraine.«

Ursprünglich sollten nur 25 Sportlerinnen und Sportler die Delegation bilden, aber die internationale Hilfe sorgte dafür, dass es nun 36 sind. Die meisten von ihnen, 26 Athleten, sind aus der Ukraine angereist und werden danach wieder zurück nach Hause reisen.

MUT Es sei ein schwieriger Weg gewesen, sagt Dyakova. Man könne Bücher über die ukrainischen Maccabiah-Teilnehmer schreiben und Filme über sie drehen, »sie sind mutige Menschen und echte Helden«.

Fünf der ukrainischen Teilnehmer leben in Israel, fünf weitere sind in europäische Länder geflüchtet und reisen von dort an: aus der Slowakei, Österreich, Kroatien und Spanien. Ursprünglich wollten auch zwei aus Deutschland kommen, doch das Paar, das aus Charkiw stammt, sagte im letzten Moment ab, es erwartet ein Baby.

Tatsächlich sind auch Spitzensportler in der ukrainischen Delegation. Mit Igor Yarmonov gehört ein fünffacher Schachweltmeister zum Team. Seine Titel holte der heute 55-Jährige bei der IPCA, dem Weltverband für Schachspieler mit körperlichen Einschränkungen.

Er ist internationaler Schachmeister, und bei der FIDE, dem Weltschachverband, wird er als Meister in Schachkomposition geführt. Im Stellen von Problemschachaufgaben ist Yarmonov legendär. Rund 250 sogenannte Kompositionen gibt es von ihm, etwa 130 Auszeichnungen hat er dafür erhalten. Vor dem Krieg lebte Yarmonov in der Hafenstadt Mariupol, die von der russischen Armee eingenommen wurde. In den vergangenen Monaten sind er und seine Frau nach Israel geflohen.

WELTSPITZE Auch Anatoly Koltypin aus Kiew gehört zu den Spitzensportlern im Team. Schon seit 30 Jahren zählt der mittlerweile 48-jährige Säbelfechter zur erweiterten Weltspitze. 1994 gewann er bei der Mannschafts-WM Bronze, 1997 wiederholte er diesen Erfolg bei der Europameisterschaft. Bei der Maccabiah 2005 konnte er für die Ukraine Gold holen, und bei den European Maccabi Games 2015 in Berlin landete er auf Platz drei.

Nach den Spielen werden die meisten Sportler wieder in die Ukraine zurückkehren.

Zu den jüngeren Spitzensportlern gehört Davyd Yanovskyi aus Odessa. Erst vor wenigen Wochen, Mitte Juni, konnte der 18-jährige Karatesportler in der Kategorie unter 61 Kilogramm Europameister der Junioren werden. Vor dem Krieg gelang es ihm, mit einigen Sportfreunden zusammen nach Österreich zu fliehen. Nun lebt er in Linz und trainiert im dortigen Olympiazentrum.

Viktoriya Dyakova, die als Vorsitzende die Geschäfte von Makkabi Ukraine führt, will sich trotz solch hochklassiger Sportler nicht festlegen. »Prognosen sind eine undankbare Aufgabe«, sagt sie. »Aber wenn man alle Vor- und Nachteile abwägt, denke ich, dass wir im Schach, im Fechten, im Volleyball und in Karate gewinnen werden.«

Doch noch nie waren Siege und gute Platzierungen für Makkabi Ukraine so nebensächlich wie diesmal. »Die Teilnahme an der Maccabiah ist für die ukrainischen Sportler in diesem Jahr eine besonders große Ehre und Chance«, sagt Dyakova. »Es ist ein großer Stolz, an solchen Wettbewerben teilzunehmen. Wir geben alles.«

USA

Wie ein böser Traum

Anti-Israel-Proteste sorgen an Elite-Universitäten für Gewalt und Chaos. Eine Studentin berichtet aus New York

von Franziska Sittig  26.04.2024

USA

Berufungsgericht hebt Urteil gegen Harvey Weinstein auf

Die Entscheidung ist ein Paukenschlag – vier Jahre nach der Verurteilung des ehemaligen Filmmoguls

 25.04.2024

Mexiko

Präsidentschaftskandidatin von Bewaffneten aufgehalten

Steckt ein Drogenkartell hinter dem bedrohlichen Zwischenfall?

 22.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Der Regisseur möchte über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

USA/Israel

Biden: Pessach-Fest ist besonders hart für Familien der Geiseln

Die abscheulichen Gräueltaten der Hamas dürften niemals vergessen werden, sagt der Präsident

 22.04.2024

Ukraine

Mazze trotz Krieg

Kyivs älteste Synagogen-Bäckerei produziert seit Jahrzehnten, und nun auch bei Raketenbeschuss

von Michael Gold  22.04.2024

Pessach

Der eigene Exodus

Wie erlangt der Mensch persönliche Freiheit? Wir haben sechs Jüdinnen und Juden gefragt

von Nicole Dreyfus  22.04.2024

London

Initiative gegen Antisemitismus: Polizeichef soll zurücktreten

Hintergrund ist ein Vorfall bei einer antiisraelischen Demonstration

 22.04.2024

Columbia University

Nach judenfeindlichen Demos: Rabbiner warnt eindringlich

Jüdische Studierende sind auf dem Campus nicht mehr sicher, sagt Elie Buechler

 22.04.2024