Griechenland

Der Untergang der »Goldenen Morgenröte«

Nikos Michaloliakos wird verhaftet.. Foto: dpa

Am Samstag, den 28. September, um sieben Uhr morgens begann der Anfang vom Ende der Chrysi Avgi (»Goldene Morgenröte«) als einer vom griechischen Staat nahezu unbehelligten nationalsozialistischen Gruppe. Die Antiterroreinheit des Landes klingelte bei Parteiführer Nikos Michaloliakos und verhaftete ihn unter dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Außerdem wurden der Pressesprecher und Parlamentsabgeordnete Ilias Kasidiaris sowie die Abgeordneten Giannis Lagos, Ilias Panagiotaros und Nikos Michos verhaftet.

Vizeparteichef Christos Pappas, der aus seiner Verehrung Adolf Hitlers nie einen Hehl machte, stellte sich nach kurzer Flucht am Sonntag den Behörden. Zusammen mit den sechs Parlamentariern wurden bislang 15 weitere Personen, darunter eine Polizistin und ein Gefängniswachmann, als maßgebliche Funktionäre der »verbrecherischen Vereinigung« inhaftiert. Mit diesem Schritt des indirekten Parteiverbots begibt sich die Regierung Samaras auf dünnes Eis.

Verfassung Denn in der griechischen Verfassung ist nicht vorgesehen, dass eine einmal zugelassene Partei verboten wird. Mahnungen, wie sie von Menschenrechtsorganisationen, der jüdischen Gemeinde und sozialdemokratischen oder linken Parteien erhoben wurden, passten der »Goldenen Morgenröte« gut ins Konzept. Kasidiaris, auf dessen Oberarm ein Hakenkreuz eintätowiert ist, zitierte ungestört im Parlament die Protokolle der Weisen von Zion, um seine Verschwörungstheorien zu stützen.

Bei der stetig wachsenden Anhängerschaft kamen solche Sprüche gut an. Mit einfachen, populistischen Konzepten wurde die missliche Lage des unter Sparauflagen ächzenden Volkes erklärt. Die griechische Demokratie reagierte hilflos. Griechenland selbst zählt zu den Staaten, die während des Zweiten Weltkriegs prozentual den größten Blutzoll für die Barbarei des »Dritten Reiches« zahlen mussten.

Wegen der Erfahrungen mit Einschränkungen der Meinungsfreiheit während der Militärdiktatur von 1967 bis 1974 im Land sind faktisch alle als Politik oder Ideologie geäußerten Theorien nicht strafbar. Die Kritik des Athener Zentralrats an der klar erkennbar nationalsozialistischen Ideologie der Partei führte ebenso wie Warnungen vor den Folgen von Holocaustleugnungen zu Anzeigen gegen die Mahner. Geschockt verfolgte die jüdische Gemeinde, wie bei der letzten Essensausgabe der Partei »nur für Griechen« das Horst-Wessel-Lied erklang und der Hitlergruß gezeigt wurde.

Verleumdungsklagen
Dennoch bedrohte die Partei jeden, der sie als Nazipartei bezeichnete, mit Verleumdungsklagen. Andererseits wurden die Hetzer nicht müde, griechischen Politikern jeden Besuch einer Synagoge, jedes Treffen mit Vertretern der jüdischen Gemeinde als Indiz für eine eigene jüdische Abstammung auszulegen.

Doch der Mord am griechischen Rapper Pavlos Fyssas durch ein »Sturmbataillon« der Partei am 17. September drehte endlich die öffentliche Meinung in Athen. Journalisten begannen nun trotz einer wahren Flut an Verleumdungsklagen, die Partei als »Nazigruppierung« zu bezeichnen.

Die Regierung Samaras ordnete an, nach juristischen Tricks zu suchen, um der Partei die Finanzierung und den Abgeordneten die Diäten zu entziehen. Strafverfolger und Politiker griffen auf Gesetzeskonstrukte zurück, die teilweise im Widerspruch zur Verfassung stehen.

Wählerpotenzial Doch selbst mit dem derzeit harten Vorgehen ist die Gefahr nicht gebannt. Die Tochter des Parteiführers Michaloliakos, Ourania Michaloliakos, rief zu »bedingungslosem Widerstand« auf. Die »Goldene Morgenröte« soll über 250.000 Mitglieder und eingetragene Unterstützer verfügen. Umfragen vor dem Verbot zeigten ein Wählerpotenzial von einer Million Stimmen. Sollte die Anklage löchrig werden und die Freilassung eines der Verhafteten erfordern, sind die Reaktionen im Land nicht mehr vorhersehbar. Schon jetzt gelten die Angeklagten in der rechten Szene als Märtyrer.

Stockholm

Wirtschaftsnobelpreis geht auch an jüdischen Ökonom

Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt werden für ihre Forschung zu nachhaltigem Wachstum geehrt

 13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

 12.10.2025

Malibu

Kiss-Sänger Gene Simmons bei Unfall verletzt

Der 76-Jährige soll hinter dem Steuer das Bewusstsein verloren haben

 10.10.2025

Meinung

Außen hui, innen pfui: Trumps Umgang mit den Juden

Während sich der US-Präsident um die Juden in Israel verdient macht, leidet die jüdische Gemeinschaft im eigenen Land unter seiner autoritären Innenpolitik. Das sollte bei aller Euphorie über den Gaza-Deal nicht vergessen werden

von Joshua Schultheis  09.10.2025

Literatur

Nobelpreis für Literatur geht an László Krasznahorkai

Die Literaturwelt blickt erneut gebannt nach Stockholm. Dort entscheidet man sich diesmal für einen großen Schriftsteller aus Ungarn - und bleibt einem Muster der vergangenen Jahre treu

von Steffen Trumpf  09.10.2025

Italien

»Mein Sohn will nicht mehr Levy heißen«

Wie ist es in diesen Tagen, Jude in einer europäischen Metropole zu sein? Ein Besuch bei Künstler Gabriele Levy im jüdischen Viertel von Rom

von Nina Schmedding  06.10.2025

Großbritannien

Empörung über Israels Einladung an Rechtsextremisten

Jüdische Verbände und Kommentatoren in Großbritannien sind entsetzt, dass Diasporaminister Chikli und Knesset-Sprecher Ohana ausgerechnet nach dem Anschlag von Manchester einen rechten Agitatoren hofieren

von Michael Thaidigsmann  06.10.2025

Türkei

»Zionist«: Robbie-Williams-Konzert in Istanbul am 7. Oktober abgesagt

Die Stadt verweist auf Sicherheitsbedenken – zuvor gab es online massive Proteste wegen jüdischer Familienbezüge des Musikers

 05.10.2025

7. Oktober

Ein Riss in der Schale

Wie Simchat Tora 2023 das Leben von Jüdinnen und Juden verändert hat

von Nicole Dreyfus  05.10.2025