Schweiz

Das große Geld

Scheibe des Anstoßes: CD mit Bankdaten Foto: JA

Das Damoklesschwert schwebt über den 200 Milliarden Euro, die deutsche Kunden auf Konten in der Schweiz gelagert haben. Der lange Arm der deutschen Steuerbehörden greift nach diesen unversteuerten Guthaben. Dabei schrecken sie auch vor unlauteren Methoden nicht zurück. Ein ehe- maliger Mitarbeiter einer Schweizer Bank hat rund 1.500 streng vertrauliche Kundendaten kopiert und verkauft sie nun für 2,5 Millionen Euro an die Bundesregierung. Der deutsche Fiskus erhofft sich davon 400 Millionen Euro Steuereinnahmen.

straftaten Politiker und Medien in der Schweiz sind empört, das Wort »Hehlerei« macht die Runde. Auch in Deutschland ist der Deal nicht unumstritten. Der Hamburger Steuerstrafrechtler Erich Samson sagte dem Zürcher »Tagesanzeiger«, der Staat verliere seine innere Legitimation, Straftaten zu verfolgen, wenn er bei der Verfolgung selbst Straftaten begehe. In die gleiche Kerbe schlägt Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll. Es sei eine »unerträgliche Vorstellung«, wenn mit Ganoven gedealt werde, sagt der FDP-Politiker.

Zürich ist nicht nur ein wichtiger Finanzplatz, sondern auch die Heimat der größten jüdischen Gemeinde der Schweiz. Rund 6.000 jüdische Einwohner leben in der Limmatstadt. Die Banken sind hier überall präsent, bieten viele Arbeitsplätze und generieren beträchtliche Steuereinnahmen. Die Meinungen über den Bankdaten-Diebstahl gehen in Zürich auseinander – auch innerhalb der jüdischen Gemeinschaft.

bankgeheimnis Beim Kiddusch in einer Zürcher Synagoge sorgte das Thema am Wochenende für Gesprächsstoff. »Der Staat hat das Recht, Daten zu beschaffen, um Steuern einzutreiben. Wenn er aber zu illegalen Mitteln greift, ist das problematisch«, sagt David, Mitarbeiter einer Bank. Andreas stimmt ihm zu: »Der Kauf vermittelt die gefährliche Botschaft, dass der Zweck die Mittel heilige.« Damit motiviere man zu weiteren Datendiebstählen und zu Industriespionage. Besonders problematisch sei, dass Deutschland das Gesetz eines anderen Landes missachtet, findet Andreas. Shira hingegen zeigt ein gewisses Verständnis für den großen Druck aus Deutschland und empört sich über das Schweizer Bankkundengeheimnis: »Es beschützt seit Jahrzehnten Steuerhinterzieher, und auch Kriminelle können wegen der Schweigepflicht der Banken ihr Geld in der Schweiz bunkern, wenn sie es schlau anstellen.« Dem widerspricht David: »In anderen Ländern ist es viel einfacher, sein Schwarzgeld zu verstecken, die Schweiz verfügt über sehr strenge Geldwäschegesetze.

Yael solidarisiert sich mit den deutschen Kunden, die ihr Geld nicht deklarieren: »Wenn der Steuersatz so extrem hoch ist wie in Deutschland, möchte doch jeder sein Vermögen vor den Klauen des Fiskus schützen. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass das Bankgeheimnis jüdischen Menschen aus ganz Europa vor und während des Krieges geholfen hat, ihr Geld vor den Nazis auf Schweizer Konten in Sicherheit zu bringen, sagt Yael.

gesetzestreu In der Kiddusch-Diskussion taucht unter anderem die Frage auf, was wohl die Halacha, das jüdische Religionsgesetz, dazu sagt, dass man sich vor dem Steuerzahlen drückt. Der Gemeinderabbiner der Israelitischen Cultusgemeine Zürich (ICZ), Marcel Yair Ebel, verweist auf das halachische Konzept von »Dina de Malchuta dina«, das in der gesamten Diaspora gilt: »Wenn man sich halachisch richtig verhalten will, muss man sich an das Gesetz des Landes halten, in dem man wohnt«, sagt Ebel. Aus einer halachischen Perspektive sei es also nicht in Ordnung, den Steuerbehörden die Vermögensverhältnisse zu verschweigen und dadurch weniger Steuern zu bezahlen.

Trotz Widerstands in der Schweiz und in Deutschland werden mit den berüchtigten Daten mit großer Wahrscheinlichkeit demnächst deutsche Steuersünder überführt. Wie sich der Datenhandel auf die Schweiz auswirkt, wird sich zeigen. Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Zürich verfolgen die Entwicklung jedenfalls sehr genau. Denn allen ist die große Bedeutung des Bankwesens für ihre Stadt und für die gesamte Schweiz bewusst.

Meinung

New York: Zohran Mamdani und der Clash der Generationen

Der Bürgermeisterkandidat der Demokraten wurde nicht zuletzt wegen seiner antizionistischen Haltung gewählt. Während er unter jungen jüdischen New Yorkern Unterstützer hat, stehen die älteren überwiegend fest an Israels Seite

von Hannes Stein  06.07.2025

Ungarn

Wo der Wunderrabbi wirkt

Zur 100. Jahrzeit von Reb Shayele pilgern Tausende Chassidim nach Kerestir – im festen Glauben, dass seine Kraft bis heute fortlebt. Zu Besuch an einem Ort voller Hoffnung und Geschichte

von György Polgár  06.07.2025

Antisemitismus

Angriff auf Synagoge und Restaurant in Melbourne

Während etwa 20 Menschen Schabbat feierten, setzte ein Mann die Tür des Gebäudes in Brand. Kurz darauf wurde ein koscheres Restaurant gestürmt. Nun hat die Polizei einen Verdächtigen festgenommen

 06.07.2025 Aktualisiert

Belgien

»Gaza gleich Auschwitz«-Karikatur gewinnt Wettbewerb

Der erste Preis des Press-Cartoon-Belgium-Wettbewerbs ging in diesem Jahr an eine Zeichnung einer Landkarte, in der die Umrisse des Eingangstores von Birkenau auf die des Gazastreifens gelegt sind

von Michael Thaidigsmann  04.07.2025

Kommentar

Zürich sollte Francesca Albanese keine Bühne bieten

Die antisemitische UN-Sonderberichterstatterin tritt am Freitag in der Zürcher Zentralwäscherei auf - subventioniert durch die Steuerzahler der Stadt

von Ronny Siev  03.07.2025

Großbritannien

Unterhaus: Palestine Action als Terrororganisation eingestuft

Mitglieder der radikalen Anti-Israel-Gruppe waren im Juni auf einen britischen Luftwaffenstützpunkt eingedrungen und hatten dort Flugzeuge beschädigt

 03.07.2025

Ukraine

Putins Krieg und Trumps Frieden

Während sich die Medienaufmerksamkeit auf Nahost konzentriert, bombardiert Russland weiterhin das Land. Nun schlägt sogar der US-Präsident neue Töne an

von Michael Gold  03.07.2025

Australien

Zwei Krankenpfleger, die damit drohten, jüdische Patienten zu töten, haben Arbeitsverbot

Im Februar sorgte ein TikTok-Video für Abscheu und Empörung, in dem zwei Krankenpfleger ihrem blanken Judenhass freien Lauf ließen. Nun stehen sie vor Gericht

 02.07.2025

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025