Der brasilianische Staat hat die Verantwortung für die Ermordung des jüdischen Journalisten und Dissidenten Vladimir Herzog während der Militärdiktatur übernommen. Fast 50 Jahre nach dessen Tod bat der Generalbundesanwalt Jorge Messias Herzogs Familie am Donnerstag (Ortszeit) um Entschuldigung, wie die Zeitung »Folha de São Paulo« berichtete. Die Angehörigen erhielten demnach eine Entschädigung von drei Millionen Reais (rund 448.000 Euro).
Herzog, dessen Familie vor den Nazis aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Brasilien geflüchtet war, war Chefredakteur des staatlichen Senders TV Cultura und engagierte sich in der Widerstandsbewegung gegen die Militärdiktatur (1965 bis 1984). Im Oktober 1975 wurde er von der Geheimpolizei festgenommen und zu Tode gefoltert. Die Behörden gaben an, er habe sich in seiner Zelle erhängt. Erst 37 Jahre nach seinem Tod wurde eine neue Todesurkunde mit der Todesursache Folter ausgestellt.
37 Jahre nach seinem Tod: neue Todesurkunde mit der Todesursache Folter
»Diese Entschuldigung ist nicht nur symbolisch«, sagte der Sohn des Journalisten, Ivo Herzog. Sie stehe für den Kampf aller Familien von Ermordeten und Verschwundenen während der Militärdiktatur. »Es ist ein Akt des Staates, der uns glauben lässt, dass der heutige brasilianische Staat nicht wie der brasilianische Staat von damals denkt.« Für die Familie beende das nun geschlossene Abkommen mit dem Staat einen schmerzhaften jahrzehntelangen Kampf.
Die Vereinbarung enthält auch die rückwirkende Zahlung einer monatlichen Rente an Herzogs Witwe, Clarice Herzog, auf der Grundlage eines früheren Gerichtsbeschlusses. Bereits 2018 hatte der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte Brasilien für den Mord an Herzog für schuldig befunden und damit verhindert, dass der Fall verjährte.
Dutzende Todesfälle sind noch nicht aufgeklärt, zahlreiche Opfer nicht gefunden
Herzog gehört zusammen mit dem ehemaligen Abgeordneten Rubens Paiva zu den bekanntesten Diktaturopfern in Brasilien. Der Film Ainda Estou Aqui (Für immer hier) über die Geschichte von Paiva wurde in diesem Jahr mit einem Oscar ausgezeichnet.
Während der Militärdiktatur wurden in Brasilien laut dem 2014 veröffentlichten Abschlussbericht der Nationalen Wahrheitskommission 434 Menschen getötet. Dutzende Todesfälle sind noch nicht aufgeklärt, zahlreiche Opfer nicht gefunden. Ein Amnestiegesetz von 1979 verhindert, dass die Schuldigen der Diktatur juristisch bestraft werden. epd/ja