Niederlande

Besorgt über die Entwicklung in Europa

War zehn Jahre in Amsterdam: Cnaan Liphshiz Foto: privat

Seit ein paar Tagen ist der Container weg. Unterwegs nach Israel. Was nun noch bleibt? Anstreichen. Saubermachen, für die Mieter, die bald kommen. Die Fragen der Kinder beantworten, die neulich das Haus in Amsterdam umarmten, um Abschied zu nehmen. »Das einzige, das sie kennen«, sagt ihr Vater erklärend. Mit Erklären kennt er sich aus. Tausenden Leserinnen und Lesern hat er in den vergangenen zehn Jahren vermittelt, was in Europa passiert. Nun bringt er seinen Kindern nahe, dass Umziehen, wie er sagt, immer auch Entwurzeln bedeutet.

Mittlerweile sind Cnaan Liphshiz, seine Frau und die beiden Kinder in Israel angekommen. »So viele machen Alija in diesen Zeiten«, sagt er. Das stimmt, zweifellos. Doch der Europakorrespondent der Jewish Telegraphic Agency, ein ausgesprochen produktiver, engagierter Kollege, der seit 2011 unermüdlich zwischen Portugal und Usbekistan über den Kontinent wirbelte, zwei Wochen im Monat auf Achse, den Rest in Amsterdam, seinem Hauptquartier, das ihm in dieser Zeit ziemlich ans Herz gewachsen ist – wenn dieser Mann das Land verlässt, dann gibt dies vielen zu denken.

Bilanz Im niederländischen »Nieuw Israëlitisch Weekblad« zog der Reporter kürzlich Bilanz und erläuterte den Entschluss. »Ich habe über Anschläge in Frankreich, Deutschland, Belgien und antisemitische Vorfälle in verschiedenen Ländern berichtet. Ich begann, mich zu fragen: Wo wohne ich eigentlich? Wohin führt das? Zu dieser Zeit war es noch okay, in den Niederlanden zu wohnen. Aber ich blickte in die Zukunft: Würde alles, was ich im Ausland antraf, früher oder später nicht auch hierherkommen?«

Im niederländischen »Nieuw Israëlitisch Weekblad« zog der Reporter kürzlich Bilanz und erläuterte den Entschluss.

An einem bedeckten Morgen sitzt Cnaan Liphshiz auf der Terrasse eines Cafés im Süden Amsterdams, auf halbem Weg zwischen Zentrum und dem jüdisch geprägten Viertel Buitenveldert. Trotz der großen Dinge, die vor ihm liegen, wirkt er entspannt. Mit ruhiger Stimme berichtet er über seine Zeit in den Niederlanden, in der Stadt, die sein Zuhause geworden ist. Was er vermissen wird? »Die Landschaft eher weniger, die ähnelt einem großen Golfplatz«, scherzt der Naturliebhaber. »Aber auf jeden Fall die Menschen. Sie sind sehr zugänglich und unkompliziert, das passt gut zu mir. Ich würde nirgendwo anders wohnen wollen in Europa.«

Dass er trotzdem geht, ist einer langfristigen Perspektive geschuldet: Aus Statistiken der Anti-Defamation League (ADL) etwa geht hervor, dass Antisemitismus in den Niederlanden weniger verbreitet ist als etwa im benachbarten Belgien.

Entwicklungstrends »Aber die Dinge sind ein Stück weniger gut als vor 15 Jahren. Was bedeutet das für 2040? Wie ist es dann für bewusste Juden? Werden meine Kinder studieren können, was sie wollen? Ich kann kein Szenario beschreiben, denn ich weiß es nicht. Es ist eine Schätzung anhand der zu beobachtenden Entwicklungstrends. Es ist wahrscheinlich, dass diese Entwicklung weitergeht. Wenn man viel in verschiedenen Ländern ist, versteht man: Was dort passiert, wird hier eines Tages auch geschehen.«

Schon 2015, erzählt Liphshiz, habe seine Frau vorgeschlagen, ein Haus in Israel zu suchen.

Schon 2015, erzählt er, habe seine Frau vorgeschlagen, ein Haus in Israel zu suchen. Stattdessen zogen sie von Den Haag nach Amsterdam, wo die Kinder geboren wurden. Der Wunsch, in Israel zu leben, blieb: »All das Gute, das Israel hat, wollen wir auch unseren Kindern mitgeben.« Als die Entscheidung dann gefallen war, kamen Zweifel: »›Warum nehmen wir die Kinder mit in ein Kriegsgebiet?‹, fragte meine Frau, als im Mai die Raketen niederfielen.«

Ausgerechnet der jüngste Ausbruch von offenem Judenhass auf Europas Straßen lieferte die Antwort. Bedenklich stimmt Cnaan Liphshiz, dass diese Entwicklung gesellschaftlich wenig bewusst ist: »Sarah Halimi, die ›Chaibar‹-Sprechchöre, das sind Codes einer Diskussion, die wir intern in unseren Bubbles führen, aber jenseits davon sind sie unbekannt.«

Künftig wird er also nun von Haifa aus aufbrechen, um die Leserinnen und Leser der JTA über die Geschehnisse in Europa zu informieren. Auf die Stadt, in der er aufwuchs, freut er sich besonders. »Wer Alija macht, hat ein ganzes Jahr lang freien Eintritt in den Zoo!« Und was Europa betrifft: »Ich gehe ohne Bitterkeit. Ich liebe die Niederlande. Es ist kein Abschied im Zorn, kein wütender Schritt, aber die Umstände sorgen dafür, dass ich ihn gehe.«

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