Schwimmen

Bahnen ziehen

Am Beckenrand: Wadim Rasputnis Foto: Alexandra Umbach

Strahlend blauer Himmel über Dortmund, das Thermometer zeigt mehr als 30 Grad. Wadim Rasputnis (18) hat nur bis zum Mittag Unterricht. Beste Voraussetzungen also für einen Freibadbesuch, zu dem sich viele Mitschüler sicher auch verbabredet haben.

Tatsächlich wird auch Wadim gleich schwimmen, aber nicht so wie die anderen. Er hat seine Tasche gepackt und geht ins Hallenbad, um eine Bahn nach der anderen zu ziehen. Denn in wenigen Tagen wird er bei den Europäischen Makkabi-Spielen in Wien auf dem Startblock stehen.

Dehnübungen »Mit Freunden gehe ich selten schwimmen«, sagt Wadim, »aber die gehen ja auch nicht vier, fünf Mal in der Woche zum Schwimmtraining.« Als Achtjähriger hat Wadim diesen Sport für sich entdeckt, seit seinem zwölften Lebensjahr nimmt er an Wettkämpfen teil. Das Training ist für ihn mittlerweile Teil des Alltags. Und das hat es in sich. »Am Anfang mache ich mich warm, ungefähr 15 oder 20 Minuten. Ich lasse die Arme kreisen, später kommen Dehnübungen«, sagt er. »Und dann geht’s ab ins Wasser.«

Manchmal, gesteht er, wird es ihm auch langweilig. Denn besonders viel Abwechslung bietet das Training nicht. Allein beim Einschwimmen bringt er 1.000 Meter hinter sich. »Und dann werden die Serien geschwommen, das ist das Wichtigste im Training«, erklärt er. »Zum Beispiel macht man dabei zehn Mal 200 Meter Freistil.«

In jeweils weniger als zweieinhalb Minuten müsse er die Strecke schwimmen. »Mein wichtigster Trainingspartner ist also die Uhr.« Nach den Serien bringt Wadim beim Ausschwimmen noch ein paar Bahnen hinter sich, dann ist das Training beendet, und er kann aus dem Becken steigen.

Programm Meist absolviert der junge Mann dieses Programm zu den normalen Öffnungszeiten in einem Hallenbad in seinem Stadtteil. »Da sind dann natürlich auch ganz normale Leute, die schwimmen gehen. Zwei Bahnen werden aber durch Leinen abgetrennt, da kommt niemand rüber.«

Manchmal setze sich aber jemand an den Beckenrand und schaue ihm ein bisschen zu, sagt Wadim. Vor einem Jahr hätten die Leute noch interessierter geschaut, weil er mit einem Schwimmanzug ins Becken stieg. Inzwischen ist diese Bekleidung bei Wettkämpfen verboten. »Jetzt müssen wir wieder in Badehosen schwimmen«, klagt Wadim. »Mit dem Anzug war man einfach schneller und lag besser im Wasser.«

Auf andere Dinge verzichtet der 18-Jährige freiwillig. »Ich rauche nicht, das ist ja klar. Und ich trinke keinen Alkohol. Aber das war’s auch schon. Beim Essen muss ich auf nichts verzichten«, sagt er, schränkt dann aber ein: »Gut, ich achte schon etwas auf die Ernährung.« Doch wenn man so lange im Wasser ist wie er, dann muss man sicher keine Kalorien zählen, denn die werden beim Training schnell verbrannt. Fast jeden Tag stehen Nudeln auf Wadims Speiseplan, die liefern mit ihren Kohlenhydraten die Energie für seine Muskeln.

Freistil Besonders freut sich der junge Mann auf seine Paradedisziplinen Freistil und Schmetterling bei den Spielen Anfang Juli in Wien. Beim Freistil wählt er, wie praktisch jeder Schwimmer, das Kraulen.

Doch die Schmetterlingstechnik ist für Ungeübte beinahe nicht länger als eine Bahn durchzuhalten. Dabei schlägt Wadim seine Arme vorn ins Wasser, zieht sie fast unter seinem Körper nach hinten und führt sie über Wasser wieder zusammen. Die Beine bewegen sich dabei wie die Schwanzflosse eines Delfins. In dieser Disziplin stellte der Amerikaner Michael Phelps beeindruckende Rekorde auf. Er ist auch Wadims Vorbild – »trotz der Sachen, die er mit Frauen und mit Marihuana gemacht hat«.

Viele Gelegenheiten hat Wadim nicht, die großen Stars zu sehen. Die Übertragungen der Deutschen Meisterschaften und der Olympischen Spiele sind für ihn deshalb das, was für viele andere Jungen in seinem Alter die Champions League ist. Dass er selbst nie zu den ganz Großen dieser Sportart gehören würde, war ihm aber schon früh klar.

»Als ich noch professioneller geschwommen bin und acht Mal pro Woche trainiert habe, wurde ich in den Kader des Landes Nordrhein-Westfalen eingeladen. Das war schon gut, aber es ging nicht weiter bis in den deutschen Kader. Und da weiß man dann schon, dass es nichts wird«, erzählt Wadim. Mit seinen Leistungen ist er dennoch zufrieden. 2008 schwamm er bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin, außerdem ist er mehrmals Südwestfälischer Meister in seiner Altersklasse geworden.

Profi Auch wenn er kein Profi wird, bleibt das Schwimmen für ihn ein wichtiger Teil seines Lebens. Und vielleicht kann er es doch noch zum Beruf machen. »Ich habe einen Trainerschein und eine kleine Gruppe, die ich trainiere. Das kann ich mir gut als Nebenjob während des Studiums vorstellen.«

Für seine Teilnahme an den Europäischen Makkabi-Spielen in Wien hat Wadim sein eigenes Training verstärkt. Er geht öfter joggen und ins Fitnessstudio. Der internationale Wettbewerb ist ein Höhepunkt in seiner Karriere, und er möchte mit einer Medaille nach Dortmund zurückkehren. Da- nach wird er das Schwimmen für einige Monate etwas ruhiger angehen, denn er macht nächstes Jahr sein Abitur. »Das ist für mich dann wichtiger als der Sport.«

Doch sobald er das Zeugnis in den Händen hat, will er wieder verstärkt trainieren. Denn das nächste Ziel ist bereits gesteckt: »Ich möchte unbedingt in zwei Jahren zur Makkabiade nach Israel, das wäre dann wirklich der Höhepunkt für mich.«

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