Politik

»Zeigen Sie Zurückhaltung und Verantwortung«

Protest gegen die neue Regierung in Tel Aviv. Foto: Flash90

Die Äußerungen einiger israelischer Politiker driften dieser Tage ins Extreme. Ein Mitglied der rechtsextremen Partei Otzma Jehudit, Zvika Fogel, forderte am Dienstag im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Verhaftung von Mitgliedern der Opposition, darunter Ex-Premier Yair Lapid und den ehemaligen Verteidigungsminister Benny Gantz. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu distanzierte sich von den Äußerungen und Präsident Isaac Herzog forderte alle auf, »die Temperatur zu senken«.

VERANTWORTUNG »Ich wende mich an Sie, gewählte Vertreter von beiden Enden des politischen und öffentlichen Spektrums – zeigen Sie Zurückhaltung und Verantwortung«, schrieb Herzog auf Twitter. »Wir haben kein anderes Land.« Der Präsident gelobte, die Werte zu schützen, die in der israelischen Unabhängigkeitserklärung aufgeführt sind. Sie seien »der Kompass unserer Nation«.

Gleichzeitig forderte Herzog den Justizminister Yariv Levin (Likud) auf, seine geplanten Änderungen in der Justiz »aufzuweichen«, und bot an, eine Diskussion über die umstrittene Gerichtsreform zu veranstalten. Levin hatte die Pläne in der vergangenen Woche in einer Pressekonferenz vorgestellt.

»Wenn die Oppositionsführer ihren Wunsch nach Blutvergießen auf den Straßen fortsetzen, werden ihnen Handschellen angelegt.«

abgeordneter Almog cohen (otzma jehudit)

Seit dem Bekanntwerden dieser Pläne steigen die Spannungen zwischen Koalition und Opposition. Fogel beschuldigte Lapid, Ganz und zwei ehemalige Abgeordnete, die sich kritisch zur neuen Regierung geäußert hatten, des »Staatsverrates« und sagte, sie seien derzeit »die gefährlichsten Menschen«.

Die Äußerungen wurden von seinem Parteikollegen Almog Cohen wiederholt: »Wenn die Oppositionsführer ihre Anstiftung zu Blutvergießen auf den Straßen fortsetzen, werden ihnen Handschellen angelegt«. Oppositionsführer Yair Lapid von der Zentrumspartei Jesch Atid kommentierte mit den Worten: »So zerfällt die Demokratie an einem Tag«.

DEMOKRATIE Im Armeeradio ließ Otzma-Jehudit-Chef und Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, am Mittwoch wissen, dass man in einer Demokratie lebe, »und niemand wird die Opposition der Regierung verhaften«. Doch er erklärte auch, dass er die Äußerungen seiner Parteikollegen »sehr, sehr gut versteht«.

Netanjahu hatte sich bereits am Dienstag in einem Telefonat mit dem Präsidenten von den Äußerungen der rechtsextremen Mitglieder seiner Koalition distanziert, sie jedoch nicht verurteilt. »In einem demokratischen Land verhaften wir keine Oppositionsführer. So wie wir Minister nicht als Nazis und eine jüdische Regierung nicht als Drittes Reich bezeichnen. Noch fördern wir zivilen Ungehorsam bei den Bürgern.« Netanjahu bezog sich damit auf Plakate, die Teilnehmer der Demonstrationen gegen die neue Regierung am vergangenen Samstag in Tel Aviv trugen.

Ex-Finanzminister Benny Gantz hatte im Anschluss an Levins Pressekonferenz gewarnt, dass der Justizreformplan zu einem »Bürgerkrieg« führen könnte. Er forderte die Öffentlichkeit auf, gewaltlos zu demonstrieren: »Es ist Zeit, massenhaft auf den Straßen zu protestieren. Es ist an der Zeit, das Land zum Beben zu bringen.«

»Wir werden in einem Kampf um unser Zuhause weiter auf den Straßen kämpfen.«

oppositionsführer yair lapid

Lapid erklärte ähnliches, als er seiner Partei mitteilte, »dies ist ein extremer Regimewechsel« und dass die Reformen »die Demokratie beseitigen«. Auch er forderte Israel auf, »in einem Kampf um unser Zuhause weiter auf den Straßen zu kämpfen«.

WASSERWERFER Am Montag hatte Ben Gvir der Polizei aufgetragen, härter gegen Demonstranten vorzugehen, wenn sie Straßen blockieren oder aufhetzende Schilder tragen. Auch forderte er den Einsatz von Wasserwerfern gegen Protestierende. »Wenn Sie in Jerusalem Wasserwerfer einsetzen, erwarte ich von Ihnen, dass Sie dasselbe in Tel Aviv tun«, sagte er und verwies auf gewalttätige Proteste in Jerusalem, die oft mit Polizeigewalt beendet werden.

Israelischen Medienberichten zufolge erklärte die Polizeiführung jedoch erklärt, sie werde weiterhin zurückhaltend handeln und ihre derzeitige Politik nicht ändern.

Meinung

Kein Symbol für den Frieden

Warum man bestimmte Israel-Ketten besser nicht tragen sollte

von Joshua Schultheis  26.07.2024

Sexuelle Gewalt der Hamas

»Als wäre dein Blut billig ...«

Zum ersten Mal spricht ein männliches Vergewaltigungsopfer des Nova-Festivals öffentlich darüber, was ihm angetan wurde

von Sabine Brandes  26.07.2024

Washington D.C./Palm Beach

USA dringen auf Geisel-Deal - mahnende Worte an Netanjahu

Israels Regierungschef will nach Biden und Harris heute auch Trump treffen

 26.07.2024

USA

So war das Treffen zwischen Joe Biden und Benjamin Netanjahu

Auch die Bewerber für die Biden-Nachfolge trifft der Gast aus Israel

von Magdalena Tröndle  25.07.2024

Kommentar

Eine Schande für die Vereinten Nationen

Berlin muss endlich die Abberufung der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese fordern

von Frank Müller-Rosentritt  26.07.2024 Aktualisiert

Europäisches Parlament

»Zittert. Das hier ist nur der Anfang«

Die frisch gebackene französische Abgeordnete Rima Hassan hetzt gegen Israel

von Michael Thaidigsmann  25.07.2024

Olympische Spiele

Israels Außenminister Katz warnt vor iranischem Anschlagsplan

Der Minister schrieb einen Brief an seinen französischen Amtskollegen

 25.07.2024

Gaza/Israel

Kämpfe vor Bergung von Leichen der Geiseln aus Tunnel in Chan Junis

Jetzt wird mehr zu den Umständen des Einsatzes bekannt

 25.07.2024

Meinung

Eine eindrucksvolle Abrechnung mit allen Hamas-Verstehern im Westen

Die Rede von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu vor dem US-Kongress war eine Lehrstunde für die überwiegend israelfeindlich eingestellte Weltöffentlichkeit

von Philipp Peyman Engel  25.07.2024 Aktualisiert