Yair Lapid

Seitenwechsel

Yair Lapid: Sohn des Journalisten und Gründers der Schinui-Partei, Tommy Lapid Foto: Flash 90

Nicht jeder kann von sich behaupten, dass gleich ein Gesetz nach ihm benannt wird. Er schon. Yair Lapid, Tausendsassa in der hiesigen Medienwelt, ist derzeit der Israelis liebster Gesprächsstoff. Wird der smarte Nachrichtensprecher demnächst statt nachzufragen lieber Interviews geben? Die Frage treibt nicht nur solche um, die jeden Freitag an seinen Lippen hängen, wenn er die Lage der Nation im »Ulpan Schischi« vorträgt oder die seine regelmäßige Kolumne in der Tageszeitung Yedioth Ahronoth lesen. Umfragen geben dem gut aussehenden Dynamiker 15 Sitze in der nächsten Knesset und sogar gute Chancen auf den Ministerpräsidentenstuhl in nicht allzu ferner Zukunft. Mittlerweile beschäftigte sich sogar die Knesset mit dem Phänomen Lapid.

Agenda Grund genug zur Spekulation hat der Anchorman von Kanal 2 selbst gegeben. Dass er eine politische Agenda hat, ließ er mehrfach wissen. Nur wand er sich stets wie ein Aal, wenn er gefragt wurde, ob er denn nun in die Fußstapfen seines Vaters treten wolle. Der war der legendäre Tommy Lapid, der einst die säkulare Schinui-Partei gegründet hatte. Im Juni 2008 verstarb er mit 76 Jahren. Yair Lapid erklärt seitdem, er sorge sich um seinen Sohn Yoav und dessen Zukunft. Und um die seines Landes: »Wenn wir uns den Zweiten Libanonkrieg und die Gaza-Flotille anschauen, sehen wir klar, dass wir nicht in der Lage sind, einen Krieg zu führen, nicht in der Lage, ein Land zu leiten.«

Bei verschiedenen Vorträgen offenbarte er derart präzise Vorstellungen, dass man meinen konnte, hier werde ein Parteiprogramm präsentiert. Da ein Journalist zum jüngsten Vortrag in Herzliya ein Aufnahmegerät geschmuggelt hatte, wurde binnen Stunden bekannt, was Lapid so anders machen würde. »Wir müssen die Leute zurückholen, die uns verlassen haben«, machte er den Zuhörern klar und erklärte prompt, wie er das tun würde: »Wir werden eine Verfassung schreiben, das Wahlsystem ändern und uns euch zuwenden, weil wir es ohne euch nicht schaffen können.« Der 46-Jährige wurde sogar noch konkreter. Jeschiwa-Studenten müssten in die Armee eingezogen werden, im charedischen Schulsystem wären die säkularen Basisfächer Pflicht, ein Viertel des Verteidigungshaushalts ginge in die Bildung, die Golanhöhen zurück an Syrien. Außerdem würde er sich für einen großflächigen Rückzug aus der Westbank einsetzen und überlegt bereits, wie man in diesem Falle mit den rebellierenden Siedlern umgehen muss.

Gesetz Ziemlich konkrete Vorstellungen für jemanden, der mit einem Auftritt auf der politischen Bühne angeblich nichts am Hut hat. Zu konkret für das Parlament. Zudem steckt den Veteranen noch immer der Schock in den Knochen, als Amir Peretz 2005 auf Kanal 2 den amtierenden Premier Ariel Scharon herausforderte. Interviewt von Schelly Yacimovich. Nur zwei Wochen später stieg die Journalistin Yacimovich aus den Medien aus und in die Politik ein – auf Peretz’ Vorschlag hin. Andere Kolleginnen und Kollegen folgten. Zu viele für die meisten Knessetabgeordneten, die verlangen, dass bei den Medienvertretern Neutralität herrschen müsse. Daher nun das sogenannte Lapid-Gesetz. Es besagt, dass Journalisten, die eine Karriere in der Politik anstreben, eine »Abkühlungsperiode« von mindestens sechs Monaten zwischen den Jobs einlegen müssen. Die erste Lesung hat der Gesetzesentwurf bereits geschafft.

Position Mittlerweile hat sich auch derjenige, um den es hier geht, zu Wort gemeldet. In einem Brief an seinen Arbeitgeber, Kanal 2, schrieb Lapid: »Meine einzige Verbindung zur Politik ist die, dass ich in der Vergangenheit gefragt wurde, ob ich eine Möglichkeit sehe, in der Zukunft dort tätig zu sein. Ich habe geantwortet, dass es eine ferne Option ist, die ich nicht von vornherein ablehne.« Er schrieb weiter, dass er die sechsmonatige Interimszeit akzeptieren werde, »sollte ich jemals meine Meinung ändern und in die Politik gehen«. Kadima-Chefin Zipi Livni hätte ihn wohl gern bei sich, doch Experten gehen davon aus, dass der beliebte Journalist, wie einst sein Vater, eine eigene Partei gründen will.

Viele sind ohnehin der Meinung, dass Lapid schon längst Politik macht. Sein »Ulpan Schischi« ist der Quotenhit im Zweiten Kanal, die Zeitungskolumne, in der er stets seine Weltsicht kundtut, liest in mancher Woche das halbe Land. Der Knessetabgeordnete Uri Orbach, selbst früher Journalist, sagte, dass er sich freitags Lapid nicht ansehen könne, weil er dann das Gefühl habe, ein eingefleischter Politiker präsentiere die Nachrichten. Tatsächlich betrachten ihn viele schon heute als wahre Opposition zu Premier Benjamin Netanjahu und den religiösen Parteien in der Regierungskoalition. Die sechs Monate »Abkühlung« dürften Lapid also nicht im Geringsten das Fürchten lehren. Sollten die Israelis tatsächlich erst im Oktober 2013 das nächste Mal an die Urnen gehen, hat er noch viel Zeit, um dem Land seine Sicht der Dinge zu präsentieren – sogar ganz ohne Parteiprogramm.

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