Nahost

Ringen um Waffenruhe im Gaza-Krieg

Kann der Krieg in Gaza und Israel bei den Verhandlungen in Doha zumindest zeitweilig beendet werden? Foto: copyright (c) Flash90 2024

Nach dem Auftakt der Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg klafft zwischen den Positionen Israels und der palästinensischen Terrororganisation Hamas, die auch diesen Krieg begann und Israel auslöschen will, weiter eine Kluft. Es wird erwartet, dass die Gespräche unter Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens heute in Katars Hauptstadt Doha fortgesetzt werden. Die Hoffnung auf einen Durchbruch ist eher gering.

Über die Positionen beider Konfliktparteien in den indirekt geführten Verhandlungen entscheiden letztlich vor allem Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und der Anführer der Hamas, Jihia al-Sinwar. »Ich glaube nicht, dass man die tiefe Kluft zwischen diesen beiden überwinden kann«, sagte Michael Milshtein, ein ehemaliger Leiter der Palästinenserabteilung des israelischen Militärgeheimdienstes, dem »Wall Street Journal«.

Für Entsetzen und Empörung sorgte unterdessen ein Angriff militanter Siedler auf ein Dorf im Westjordanland. Dabei wurde nach unbestätigten, palästinensischen Angaben ein 22-jähriger Palästinenser getötet.

»Moralischer Tiefpunkt«

Dutzende maskierte Siedler stürmten israelischen Medienberichten zufolge die palästinensische Ortschaft Dschit, zehn Kilometer westlich von Nablus, und steckten mindestens vier Häuser und sechs Autos in Brand. Mehr als 100 Menschen sollen involviert gewesen sein. Israelische Sicherheitskräfte seien daraufhin erschienen und hätten die Siedler vertrieben, hieß es in israelischen Medien. Der »Times of Israel« zufolge soll die Armee einen Israeli festgenommen und der Polizei übergeben haben.

»Gewaltsame, radikale Ausschreitungen sind das Gegenteil von allem, was der israelische Staat an Kodex und Werten hochhält«, schrieb der israelische Verteidigungsminister Joav Galant auf der Plattform X. Er werde das Militär und die Ermittlungsbehörden bei »der Bewältigung dieses Problems« unterstützen.

Das Amt von Ministerpräsident Netanjahu teilte mit, der Regierungschef nehme die Ausschreitungen »äußerst ernst«. Die Verantwortlichen würden gefasst und vor Gericht gestellt werden. Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid verurteilte den Gewaltausbruch. Damit sei ein »moralischer Tiefpunkt« erreicht worden, zitierten ihn Medien. »Mit Judentum hat das nichts zu tun.«

Deutliche Zuspitzung

Seit Beginn des Kriegs im Gazastreifen nach dem Massaker von Terroristen der Hamas im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober vergangenen Jahres hat sich die Lage im Westjordanland weiter deutlich zugespitzt. Es kam zu Anti-Terror-Operationen der IDF in palästinensischen Ortschaften, aber auch zu Gewalt von Siedlern gegen Palästinenser.

Derweil demonstrierten vor dem Hintergrund der laufenden Gespräche über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg Angehörige von Geiseln und Sympathisanten in Tel Aviv für schnelle Ergebnisse. Teilnehmer des Marsches durch die Innenstadt der Küstenmetropole riefen Medienberichten zufolge an die israelischen Verhandler gerichtet: »Kommt nicht heim ohne einen Deal!«

Die Gespräche in Doha haben neben einer Waffenruhe auch die Freilassung von 115 Geiseln in der Gewalt der Hamas im Austausch gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen zum Ziel. Die Hamas nimmt an den Verhandlungen nicht teil, soll nach dpa-Informationen aber laufend über deren Inhalt informiert werden.

Gestiegener Druck

Der Druck auf die Verhandlungsführer ist noch gestiegen, weil nach der Tötung zweier wichtiger Gegner Israels ein möglicherweise schwerer Vergeltungsangriff des Irans sowie der Hisbollah-Miliz im Libanon auf Israel erwartet wird. US-Präsident Joe Biden hatte schon im Mai von einem »entscheidenden Moment« für die Verhandlungen gesprochen.

Die Hamas werde keine neuen Bedingungen aushandeln, sagte ihr Sprecher Osama Hamdan der dpa. Es dürfe nur um die Umsetzung des von Biden im Mai vorgestellten Plans gehen. Der Vertreter des palästinensischen Terrors warf Israel vor, die Verhandlungen durch neue Bedingungen zu blockieren. Die israelische Regierung bestreitet, neue Bedingungen gestellt zu haben.

Die Hamas fordert einen kompletten Abzug Israels aus Gaza, obwohl sie den Krieg am 7. Oktober selbst begann. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu hatte dagegen gesagt, die israelische Armee müsse den Philadelphi-Korridor auch nach einer Waffenruhe weiter kontrollieren.

Sinwar will tote Zivilisten

Israels Regierungschef Netanjahu will die Hamas militärisch zerschlagen und sicherstellen, dass sie nicht mehr in der Lage ist, den Gazastreifen zu regieren. Auch sollen die Terroristen nicht mehr in der Lage sein, Israel zu attackieren oder Massaker anzurichten. Mehr Angriffe im Stil des 7. Oktobers hat die Hamas bereits angekündigt. Auch geht es Israel um eine Befreiung der Geiseln.

Hamas-Anführer Sinwar wiederum setzt offenkundig darauf, dass die Hamas den Sieg erringt, indem sie als Gruppe überlebt. Er habe den Vermittlern erklärt, dass der Tod palästinensischer Zivilisten ihm zum Vorteil gereiche, weil Israel dafür international verurteilt werde, schrieb das »Wall Street Journal« kürzlich.

Sinwar wird im weit verzweigten Tunnelnetzwerk der Hamas unter dem abgeriegelten Küstenstreifen vermutet. Er gilt als Drahtzieher des Terrorangriffs der Hamas und anderer Gruppen in Israel vom 7. Oktober. dpa/ja

Jerusalem

Merz: Deutschland wird immer an der Seite Israels stehen

Der Bundeskanzler bekräftigt bei seinem Israel-Besuch die enge Partnerschaft - und hofft auf konkrete Fortschritte bei Trumps Gaza-Plan

von Sara Lemel  06.12.2025

Diplomatie

»Dem Terror der Hamas endgültig die Grundlage entziehen«

Es ist eine seiner bisher wichtigsten Auslandsreisen, aber auch eine der schwierigsten. Kanzler Merz ist für zwei Tage im Nahen Osten unterwegs

 06.12.2025

Jerusalem

Merz trifft Netanjahu und besucht Holocaust-Gedenkstätte

Es ist einer der wichtigsten Antrittsbesuche von Kanzler Merz - aber auch einer der schwierigsten. In den Beziehungen zu Israel gab es in den letzten Monaten einige Turbulenzen

von Michael Fischer  06.12.2025

Akaba/Jerusalem

Merz zu Nahost-Reise aufgebrochen: Antrittsbesuch in Israel 

Das Renten-Drama ist überstanden, jetzt geht es für den Kanzler erstmal ins Ausland. Heute und morgen steht ein besonderer Antrittsbesuch auf seinem Programm

 06.12.2025

Israel

Drei Brüder werden an einem Tag Väter - von vier Kindern

Zwillinge inklusive: Drei Brüder und ihre Partnerinnen schenken den Großeltern an einem Tag vier Enkel. Wie es zu diesem seltenen Familienglück kam

von Sara Lemel  05.12.2025

Barcelona

Guinness World Records blockiert Bewerbungen aus Israel

Die israelische NGO Matnat Chaim will im kommenden Monat 2000 Nierenspender zusammenbringen. Dieser Rekord wird nicht registriert, da er im jüdischen Staat umgesetzt werden soll

 05.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  05.12.2025

Jerusalem

Netanjahu bezeichnet Korruptionsprozess als »politisch«

»Sie sind nicht an Gerechtigkeit interessiert, sie sind daran interessiert, mich aus dem Amt zu drängen«, so der Ministerpräsident

 05.12.2025

Luftfahrt

EasyJet plant Rückkehr nach Israel

Im Frühling geht es mit zunächst drei Verbindungen zwischen europäischen Städten und dem Ben-Gurion-Flughafen los

 05.12.2025