Amnesty International (AI) hat einen neuen Bericht über die Terrorangriffe vom 7. Oktober 2023 vorgelegt. Darin kommt die Organisation zu dem Schluss, dass palästinensische Terrorgruppen an diesem Tag schwere Verstöße gegen das Völkerrecht begangen haben. AI spricht von Kriegsverbrechen und sogar von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Gut zwei Jahre nach den Massakern, Entführungen und Raketenattacken der Hamas sind diese Erkenntnisse nicht neu. Die Tatsache, dass Amnesty International in dieser Form darauf hinweist, ist allerdings ein Novum. Kritiker halten AI vor, israelfeindlich zu agieren. In seinen offiziellen Berichten und in den sozialen Medien hatte AI bisher vor allem Israel beschuldigt, für Kriegsverbrechen verantwortlich zu sein. Den gut dokumentierten Terror der Hamas prangerte die Menschenrechtsorganisation kaum an.
Nach den aktuellen Erkenntnissen von Amnesty waren die Hamas und andere Terrororganisationen für ein breites Spektrum an Gräueltaten verantwortlich. Die Terroristen hätten in den Gemeinden rund um Gaza gezielt Zivilisten überfallen, Hunderte Menschen ermordet und weitere verschleppt. Viele der 1200 Todesopfer seien nachweislich durch bewaffnete Hamas-Terroristen getötet worden, darunter jüdische Israelis, Beduinen, ausländische Arbeitsmigranten sowie Studenten und Flüchtlinge. Auch all dies ist bekannt. Amnesty brauchte 26 Monate, um diese Tatsachen zu dokumentieren.
Ohne jede Rechtsgrundlage
AI beschreibt nun Fälle brutaler Misshandlung: Menschen seien geschlagen oder gefoltert worden, einige Opfer hätten sexuelle Gewalt erfahren, und sämtliche nach Gaza Verschleppten seien dort unter psychischem Druck und ohne jede Rechtsgrundlage festgehalten worden.
Der Bericht hält darüber hinaus fest, dass palästinensische Terrorgruppen systematisch zivile Ortschaften angegriffen hätten. Dies sei erkennbar an der Vielzahl der betroffenen Wohnhäuser, an Aussagen führender Hamas-Funktionäre sowie am wiederkehrenden Muster, in dem zivile Ziele bewusst im Fokus standen. Die Angaben deuten laut AI darauf hin, dass die Terroristen von Beginn an geplant hatten, nicht nur militärische Einrichtungen, sondern ausdrücklich auch die dort lebende Bevölkerung ins Visier zu nehmen.
Gleichzeitig bewertet die Organisation die Angriffe als gezielte und koordinierte Operation, die in großem Umfang und mit »erheblicher Brutalität« ausgeführt worden sei. Diese Formulierung in Zusammenhang mit dem palästinensischen Terror ist bei Amnesty International neu.
Dimension der Massaker
Auch weist Amnesty darauf hin, dass bis heute kein Täter für die Massaker vom 7. Oktober zur Rechenschaft gezogen worden sei. Gleichzeitig verliert die Organisation kaum ein Wort über die Weigerung der Hamas, internationale Untersuchungsteams in den Gazastreifen zu lassen oder Zugang zu den Tatorten zu gewähren.
Israels Außenministerium reagierte kritisch auf den Amnesty-Bericht. Sprecher Oren Marmorstein erklärte, die Untersuchung erscheine »mehr als zwei Jahre nach dem Massaker« und »spiegele bei weitem nicht das Ausmaß der Gräueltaten wider«, die Hamas und weitere Tätergruppen am 7. Oktober begangen hätten. Dass selbst Amnesty nun von »Auslöschung« und anderen schweren Verbrechen spreche, zeige aus Sicht Jerusalems vor allem eines: Die Taten seien so umfassend dokumentiert, dass selbst eine Organisation, die Israel regelmäßig schwerste Vorwürfe mache, diese Realität nicht länger ignorieren könne.
Die Welt brauche keine Amnesty-Berichte, um die Dimension der Massaker zu verstehen – die Bilder, Zeugenaussagen und Ermittlungen sprächen längst für sich, hieß es laut israelischen Medien im Ministerium.
Glaubwürdigkeit verspielt
Zugleich verweisen israelische Regierungsstellen darauf, dass Amnesty in früheren Stellungnahmen Israel pauschal eines angeblichen Völkermords bezichtigt und damit Glaubwürdigkeit verspielt habe. Vor diesem Hintergrund sieht die israelische Regierung den neuen Bericht als unvollständig und politisch selektiv, weil er weder die Verantwortung der Hamas für das Leid der eigenen Bevölkerung noch die bewusste Nutzung von Zivilisten als lebende Schutzschilde angemessen einordne.
Das Außenministerium hebt hervor, die Hamas habe auch nach dem 7. Oktober schwere Verbrechen begangen. Diese hätten insbesondere auch mit der Misshandlung von Geiseln zu tun. Es handle sich um einen Punkt, der im Bericht zwar erwähnt werde, aber aus israelischer Sicht nicht in ausreichendem Verhältnis zu früheren, gegen Israel gerichteten Amnesty-Anschuldigungen stehe.